Fünfter Auftritt


[126] Herr Wackermann, Herr Mag. Scheinfromm, Herr von Muckersdorff, der Advocat.


HERR WACKERMANN. Ihr Diener! Herr Magister! Ist das etwa ihr Vetter, der meine Muhme heyrathen soll?

HERR SCHEINFROMM. Ja! Herr Obrister. Wollen sie nicht ihre Einwilligung darzu geben? Ich versichere, GOtt hat uns selbst auf diese Gedancken gebracht; und für Jungfer Luischens Bestes gesorgt.

HERR WACKERMANN. Sorgen sie auch noch für das Beste meines Bruders, seiner Frauen, und der ältesten Tochter.

HERR SCHEINFROMM. Ich glaube allerdings, daß die gantze Familie durch diese Heyrath wird gesegnet seyn.

HERR WACKERMANN. Nun mein Herr von Muckersdorff, was werden wir denn mit ihm machen, wenn er meine Muhme wird geheyrathet haben? Er soll mit mir in den Krieg gehen.

HERR VON MUCKERSDORFF. O nein! denn ich – – –[126]

HERR WACKERMANN. Warum nicht?

HERR VON MUCKERSDORFF. O nein! weil ich nicht – – –

HERR WACKERMANN. Wie? Er wird sich doch nicht vor einer Canonen-Kugel fürchten.

HERR VON MUCKERSDORFF. Ja, ja! denn – – –

HERR WACKERMANN. Vielleicht kömmt er mit einigen Wunden davon?

HERR VON MUCKERSDORFF. O nein! ich mögte wohl gar – – –

HERR SCHEINFROMM. Herr Obrister, das ist ein junger Mensch, der in gantz andern Wissenschafften erzogen ist, als von denen sie sprechen.

HERR WACKERMANN. Ja! ich sehe, daß man sich viel von ihm versprechen kan. Aber wir wollen ernsthafft reden, Herr Magister: Die Leute sagen, sie wären ein gottsfürchtiger Mann.

HERR SCHEINFROMM. Ach! man thut mir zu viel Ehre an.

HERR WACKERMANN. Folglich werden sie wohl nichts thun können, das sich vor einem redlichen Mann nicht schicket.

HERR SCHEINFROMM. Der Himmel behüte mich!

HERR WACKERMANN. Glauben sie aber wohl, daß sie recht daran thun, wenn sie das Vertrauen meiner Schwägerin so mißbrauchen?[127]

HERR SCHEINFROMM. Ich, Herr Obrister?

HERR WACKERMANN. Sind wir uns am Stande auch wohl nur einiger Maassen gleich? Meine Muhme ist reich und von gutem Hause. Ihrem Vetter fehlt beydes. Meine Muhme kan ihren Vetter gar nicht leiden; und sie machen sie auf Lebenslang unglücklich. Sie werden unter meinen Bruder und seiner Frauen einen ewigen Haß stifften: Denn sie können wohl dencken, wie angenehm ihm diese Zeitung seyn wird. Ich bin nur ein Vetter von der Braut; aber ich sags ihnen frey heraus: Ich gebe meinen Willen nimmermehr darein. Wie können sie dieses Verfahren mit der Gottseeligkeit, die sie besitzen wollen, zusammen reimen?

HERR SCHEINFROMM. Ach sie machen mich gantz betrübt. Ich sehe wohl, daß Fleisch und Blut ihnen das alles beybringt.

HERR WACKERMANN. Nein! warhafftig, das lehrt mich die Vernunfft, die Billigkeit und Redlichkeit.

HERR SCHEINFROMM. Herr Obrister, ich suche bey dieser Heyrath weder das Vermögen, noch die Ehre.

HERR WACKERMANN. Ich glaube es wohl! sie sind so eigennützig nicht, und sind zu gleichgültig gegen die Güter dieser Erden. Aber was suchen sie denn?

HERR SCHEINFROMM. Eine heilige Christliche Ehe zu stifften.

HERR WACKERMANN. Unter zwey Personen, die sich einander nicht leiden können?[128]

HERR SCHEINFROMM. Ach! Frau Glaubeleichtin sieht meine Meinung besser ein, als sie.

HERR WACKERMANN. Sie irren sich Herr Magister. Ich weiß besser, was sie haben wollen, als meine Schwester. Glauben sie mir nur!

HERR SCHEINFROMM. Herr Obrister, wenn sie mich kennen.

HERR WACKERMANN. Ich kenne sie freylich. Ich sags ihnen. Da ist meine Schwester.


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 126-129.
Lizenz:
Kategorien: