Antwort des Verfaßers an den Herausgeber

[8] Hoch-Edler Herr, Hochgelahrter Herr!

Nichts hat mich jemahls in solche Bestürtzung gesetzt, als Dero letztes Schreiben. Sie können leicht dencken, wie mir zu Muthe gewesen seyn müße, da ich vernommen, daß sie eine Schrifft, die bloß zu meiner eigenen Vergnügung, und höchstens zur Lust einiger vertrauten Freunde bey müßigen Stunden aufgesetzet worden, einer grossen Gesellschafft vorgelesen hätten. Ich bereuete es bey dieser Nachricht schon, daß ich dieselbe Eurer Hochedlen so guthertzig zugesendt. Aber was vor Empfindungen von allerley Arten bemeisterten sich nicht meines Gemüths? als ich aus der fortgesetzten Erzehlung vernahm, was vor ein seltsames Schicksal über mich verhänget sey. Um GOttes Willen! was fangen Sie mit mir an? Ist denn dasjenige Vertrauen, so ich zu Dero auffrichtigen Freundschafft gehabt, einer solchen Straffe wehrt gewesen? was wird die Welt von mir gedencken? von mir, dessen Amt und Lebens-Art am allerwenigsten zu einer solchen Schreib-Art Anlaß geben sollte? Wollen Sie mir noch mehr Verdruß und Streitigkeiten über den Hals laden, als ich schon wegen einiger weit unschuldiger Schrifften wieder dieses Fanatische Geschmeisse bekommen habe? haben Sie nicht bedacht, an was vor einem Orte ich lebe? und wie leicht man auf die Muthmassung fallen wird, daß ich der[8] Urheber dieser Schrifft nothwendig seyn müsse? gleichwol, wenn ich die Wahrheit gestehen soll; so bin ich nicht einmahl dafür anzusehen. Ein gewisser ungenannter Frantzose hat mehr Theil daran, als ich. Und ich bin eher vor einen unschuldigen Übersetzer, als für den Urheber dieses Lust-Spiels anzusehen. Ich sehe mich genöthiget Ihnen dieses zu bekennen: weil ich gemercket, daß Sie mir dieselbe einzig und allein zuschreiben, welche Ehre mir doch gar nicht gebühret. Sie wissens, daß vor etlichen Jahren in den Jansenistischen Händeln zu Paris allerhand Comödien gedruckt worden, diese Secte dadurch lächerlich zu machen. Die allererste und beste darunter hieß: La Femme Docteur ou la Theologie Janseniste tombèe en Quenouille. So bald ich diese zu lesen bekam, vergnügte ich mich über die sinnreiche Art, welcher sich der Verfasser bedienet hatte, die Frömmlinge und Scheinheiligen seines Orts zum Gelächter zu machen; Und ich wünschte von Hertzen, daß sich auch in unserer Kirche eine scharffsinnige Feder finden und dem Unheile der Scheinheiligkeit auf gleiche Art steuren möchte. Ich habe etliche Jahre vergebens darauf gewartet, und also endlich selbst den Entschluß gefasset, doch nur zu meinem eigenen Vergnügen, einen Versuch zu thun, in wie weit sich die Erfindungen des Frantzösischen Scribenten auf unsern Zustand schicken würden. Ich kan auch nicht läugnen, daß ich viele Personen und gantze Auftritte seines Schau-Spiels gantz und gar ausgelassen, und hingegen manches von den meinem habe hinzu setzen müssen. Doch wird derjenige, der das Original gelesen, nicht ohne Verwunderung wahrnehmen, daß diese Art von Sonderlingen sich in Paris und Deutschland so sehr ähnlich sehen. Bey dem allen aber ist mirs niemahls in den Sinn gekommen, diesen Versuch einer Comischen Schreib-Art, darinnen ich mich sonst niemahls geübt, und dazu ich mich für gantz ungeschickt halte, weder unter meinem Nahmen, noch ohne demselben ans Licht zu stellen.[9]

Doch was wird mir dieses alles helffen? nachdem es mit der Sache einmahl so weit gekommen ist, daß es nicht mehr bey mir stehet, den Druck derselben zu hindern. Soll ich auf Eure Hoch-Edlen loßziehen, oder mich selbst anklagen, daß ich ihnen diese Schrifft so treuhertzig anvertrauet? beydes wird umsonst seyn. Und ich sehe also wohl, daß ich mein Schicksal werde erwarten müssen. Wenn es Ihnen aber immer möglich ist; so thun sie mir nur dieses zu Lieb, und verhindern es, daß die Comödie nicht gar zu häuffig abgedrucket, und sonderlich kein Exemplar davon hieher geschicket werde. Dieses ists alles, was ich vor jetzo thun kan, um nicht verrathen zu werden. Übrigens werden Sie meinen Nahmen auf das sorgfältigste zu verschweigen, und in der Vorrede die Welt zu überzeugen wissen, daß ich an dem Drucke dieser Schrifft keinen Theil gehabt, auch meinen Beyfall darzu nicht gegeben habe. Noch eins fällt mir ein: Könnte man nicht, wenn die Herren, auf deren Kosten die Schrifft gedruckt wird, mit einigen Exemplaren versorgt sind, alle übrigen auf meine Kosten erhandeln, und mir selbst zusenden, das Geld soll mich nicht reuen, so ich darauf wenden müste. Doch was wird es helffen; Wenn auch nur ein eintziges Exemplar an einen Gewinnsüchtigen Buchhändler kähme: er würde es doch ohne Zweifel wieder auflegen lassen.

Hiermit verharre ich etc.[10]


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Stuttgart 1979, S. 8-11.
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