543. Das Magdbette auf dem Brocken.635

[496] Unter den Sehenswürdigkeiten des Brockens verdient das sogenannte Magdbette noch eine Erwähnung, eine Art ausgehöhlte Mulde von Stein, von 16 Fuß Länge. Die Sage erzählt hierüber, eine fromme Magd habe einst auf der Burg eines wüsten Ritters gelebt, der sie aus einer Fehde heimgebracht, da er die kleine Waise an der Brust ihrer zertretenen Mutter auf dem Blutfelde gefunden. Doch der Säugling wuchs zur reizenden Jungfrau im Dienste der Edelfrau heran, die ihr die Mutter ersetzte, und entzündete die unreinen Sinne des Herrn, der ihr des Leibes Leben gerettet, um ihre Seele zu verderben. Muthig entfloh die Magd der Burg, gehetzt gleich einem scheuen Reh von den Verfolgern durchirrte sie die Wildniß, bis sie todesmatt die Wüste des Brockenfeldes erreichte und die Jäger des Burgherrn jede Spur verlierend, die fruchtlose Hetze aufgeben mußten. Aber nicht allein die sündige Begier, sondern auch die bangende Liebe suchte nach ihr. Ein junger Knappe durchstrich jedes Dickicht, forschte in jeder Thalschlucht, durchwatete Waldbruch und Moor um die Verschwundene. Da lockte ihn eine nie gesehene Lichtsäule Abends nach dem Ziele; in dem steinernen Bett fand er sie auf krausem Moospfühl, anzuschauen wie ein liebliches, schlafendes Kind, und Strahlengarben schienen rundum aus dem Boden aufzusteigen und beleuchteten die Schlummernde. Aber die Jungfrau erwachte nicht mehr und die weinende Liebe begrub sie da, wo sie von ihr gefunden ward. Das ist das Bett der Magd.

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S. Blumenhagen, Der Harz. Leipzig o.J. S. 79.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 496.
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