556. Ursprung der Stadt Wernigerode und des Rathhauses.649

[504] Zwei Schwestern, so wird erzählt, erbauten Wernigerode, zuerst das Westernthor und die Westernstraße. Ueber dem Westernthore erbauten sie auch den Thurm, darin wohnten sie, denn sie hatten eine große Furcht, daß der Feind käme, der damals noch mit Flitzbogen schoß und dem Thurme nichts anhaben konnte. Sie schauten aber von ihrem Thurme weit ins Land und was sie bedurften, ward an einer Winde, woran ein Kasten war, heraufgezogen, denn sie hatten unten eine Frau stehen, die für sie einkaufen mußte. Damals waren die Preise ganz gering, für vier Groschen kaufte man einen Scheffel Roggen und das Arbeitslohn betrug nur zwei Pfennige. Beide Schwestern sind auf dem Westernthorthurme gestorben und dort verfault, das Seil aber, das mitten im Thurme herunterging, war noch lange zu sehen. Nachher war ein Kuhhirt auf dem Felde und rodete mit seinem Stocke eine ganze Braupfanne voll Gold heraus. Da erbaute er das Rathhaus. Er soll auch oben am Rathhause mit Hund und Horn abgebildet sein.

649

S. Pröhle S. 63.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 504.
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