557. Der spukende Schimmel vom Wernigeroder Rathhause.650

[504] Einstmals ließ der Bürgermeister in Wernigerode einem Fuhrmann ein Pferd abpfänden, gleich darauf kam jedoch die Unrechtmäßigkeit der Pfändung an den Tag. Der Bürgermeister ließ aber das Pferd, anstatt es zurückzugeben, nun sogleich todtschlagen. Der Fuhrmann machte kurzen Prozeß mit dem Bürgermeister und sagte: »Ich wünsche, daß mein Pferd Ihnen auf ewig den Besuch abstattet.« Hiernach stand einstmals ein Mann auf Posten vor der (alten) Post des Nachts von 12-2 Uhr. Auf einmal ist ein Schimmelpferd ohne Kopf von dem Rathhause herausgekommen, ist über den Markt weggegangen, in der Heidegasse nieder und neben dem sogenannten Klarenloche, in dem Heidemühlengraben heruntergegangen und unter der Stadtmauer durch bis auf den Kirchhof, von da denselben Weg wieder zurück und der Posten hat es hin und her verfolgt. Auf dem Rückwege ist es zwei Menschen begegnet, vor denen hat sich das Schimmelpferd hoch gebäumt, als wollte es die beiden Menschen niederhacken; diese haben sich aber so erschrocken, daß sie zur Erde gesunken sind, dann sind sie zu Hause gegangen und am andern Morgen haben beide Menschen dicke Köpfe gehabt und einer davon ist kurz darauf gestorben. Das Schimmelpferd hat aber mancher Mensch am sogenannten Wasser- oder Mühlenkulke watscheln sehen, darum heißt es immer noch: Auf dem Mühlenkulke spukt das Pferd ohne Kopf.

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S. Pröhle S. 64.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 504.
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