561. Spuk bei Wernigerode.654

[505] In Nascherode bei Wernigerode erzählt man, daß alle Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ein Wagen mit zwei oder, wie Andere sagen, mit vier Pferden bespannt, vom Burgthor herab bis zur Nascheroder Kirche fährt und dort verschwindet. In dem Wagen aber sitzt eine Dame ohne Kopf und die Pferde sind gleichfalls kopflos.

In Hasserode läßt sich gleichfalls allnächtlich ein Reiter auf einem Schimmel ohne Kopf sehen.

Unweit Charlottenthal bei Wernigerode steht eine alte Warte, in der spukt's gewaltig; denn darin ist ein Pastor Namens Reckhart gebannt, der spukte ehemals an einer andern Stelle, aber da hat ihn ein Geisterbanner in einen Sack gesteckt und hierher getragen und da kann er nun nicht fort.655 Wenn früher der Nachfolger des Pastors Reckhart an der Neustädter Kirche vor den Altar kam, so war Reckhart schon da, kam er auf die Kanzel, so war er auch schon dort. Da wurde eines Abends dem Thorwart am Johannisthore gesagt, er solle in der Nacht das Thor offen lassen, denn es werde eine Kutsche kommen, die solle er aber nicht anhalten. Um 12 Uhr kam eine Kutsche mit zwei Pferden, die schäumten so, daß sie vor Schaum aussahen wie zwei Schimmel. Darin saßen zwei Mönche im Ornat und Reckhart in der Mitte. So wurde er gefahren bis hinter Charlottenthal und dort in die alte Warte gebannt, wo er die Reisenden auf dem Wege verführte.

654

Nach Kuhn und Schwarz S. 176.

655

S. Pröhle S. 73.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 505-506.
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