569. Die Geister in der Baumannshöhle.666

[515] Im Unterharze in der Nähe von Rübeland befindet sich die berühmte nach ihrem einstigen Entdecker, Baumann oder Buman, so genannte Baumannshöhle. In derselben sollen verschiedene Geister und Gespenster ihr Wesen treiben, namentlich machen sie, daß die Lichter und Fackeln, deren sich die Besucher derselben bedienen, oft nicht brennen wollen, so daß die Führer sich oft selbst nicht aus derselben herausfinden können. So hat einmal ein gewisser Mann, der nicht weit von der Höhle gewohnt und dieselbe den neugierigen Reisenden auf ihr Verlangen zu zeigen pflegte, sich einstmals einfallen lassen, ganz allein ohne einige Gefährten mit brennenden Lichtern, wie gebräuchlich, in die Höhle zu steigen und darin eins und das andere noch weiter zu erkunden, nachdem demselben aber die Lichter während der Durchsuchung der Höhle eins nach dem andern verloschen und er zu seinem Unglück das mitgebrachte Feuerzeug nicht finden können, habe er sich vergebens bemüht, die Ausfahrt wieder anzutreffen, derowegen er darin drei ganze Tage und Nächte ohne Speise und Trank zugebracht, im Finstern herumgetappt und so lange in der Irre gewandert, bis ihm endlich ein Engel in Gestalt eines brennenden Lichtes oder Feuers erschienen und denselben aus der Höhle geführt. Als er nun also wunderlich errettet worden und unverhofft wieder aus derselben an des Tages Licht gekommen, habe er solches erzählt, aber nur drei Tage noch gelebt und sei hernach gestorben. Es hat sich übrigens einstmals in den Eisenhütten bei Rübeland ein armer Mann aufgehalten, welcher einmal, als die Höhle noch offen gestanden und mit keiner verschlossenen Thüre verwahrt gewesen, sich unterstanden, ganz allein vor sich in die Höhle zu kriechen, habe sich aber aus den Klüften nicht wiederfinden können, weil er kein brennendes Licht mit sich genommen, weshalb er acht Tage lang mit Herumwandern daselbst zubringen müssen, bis er endlich durch Gottes sonderbare Hilfe hinwieder an des Tages Licht gelangt und nachdem noch eine Zeit gelebt. In diesen acht Tagen aber habe er vor großer Furcht und Schrecken ganz eisgraue Haare bekommen, weil derselbe durch viele Gespenster, wie er erzählt, auf mancherlei Art geplagt worden, denn es hätten etliche derselben ihn angegriffen, eines Diebstahls beschuldigt und deswegen aufzuhängen befohlen; wenn er nun dieser losgewesen, sei er von andern eines Todschlages bezüchtigt und daher zum Schwert verdammt worden; noch andere hätten ihn auf andere Weise gequält und gepeinigt, auf welche Art es kein Wunder gewesen, daß der Mann nicht aus Angst verzweifelt wäre. Wie es denn auch ebenfalls keine unmögliche Sache ist, daß er deswegen grau geworden, da man dergleichen Exempel mehr hat, darunter auch eins ist, so sich im Unterharze zugetragen, maßen man von einem von Adel, so man den reichen Bernhard von der St. nennt, erzählt, daß derselbe im Walde von den Gespenstern sehr geplagt und dadurch innerhalb zweien Tagen zu einem eisgrauen Manne geworden. Denn als derselbe auf der Jagd von seinen Bedienten abgekommen war, haben ihn die Irrgeister also verführt, daß er sich in dem sonst bekannten Walde nicht finden können, sondern bald hier bald da in der Irre herumwandern müssen, und ist ihm zu seinem Unglück[516] kein Mensch begegnet, der den rechten Weg anzeigen können, unterdessen die Gespenster nicht ermangelt, denselben vielfältig zu quälen, und damit so lange angehalten, bis er von solcher Anfechtung erlöset worden, welches denn endlich am dritten Tage darauf in der Frühstunde geschehen ist, da er zu seinem im Unterharz gelegenen Schlosse Falkenstein gelanget, allwo ihn die Seinigen fast nicht mehr gekannt haben, weil er durch die grauen Haare fast ganz ist verstellt gewesen, und sagt man, daß er nachdem niemals mehr gelacht und sich aller lustigen Compagnie entschlagen habe, da er doch vorher ein großer Liebhaber davon gewesen sei.

Sonst erzählt der gemeine Mann außer demjenigen, was bereits hier angeführt worden ist, noch unterschiedliche Dinge von der Baumannshöhle. Wie nämlich öfters Leute durch wunderseltsame Träume gleichsam bezaubert worden, als wenn Schätze in dieser Höhle verborgen wären, derowegen sie hineingekrochen, um selbige zu suchen und zu heben. Nachdem nun dieselben unverrichteter Sache wieder herausgekommen, sei von ihnen erzählt worden, wie sie zwar große eiserne Schatzkästen darinnen angetroffen, hätten aber nicht dazu gelangen können, weil darauf sehr große schwarze Hunde gelegen gewesen, welche dieselben verwahrt gehabt.

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S. Behrens. Hercynia curiosa S. 13. 28.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 515-517.
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