595. Der Teufel zu Goslar.700

[546] Kaiser Heinrich der Vierte (Dritte) feierte einst das Pfingstfest zu Goslar (Mainz). Kurz vor der Messe, als die Sessel in der Kirche aufgestellt wurden, erhob sich zwischen den Kämmerern des Mainzer Erzbischofs und des Abts von Fulda ein Streit darüber, wer von ihren Herren neben dem Kaiser sitzen müsse. Von Worten kam es zu Schlägen und das Blut floß über den Estrich der Kirche, daß man darin bis an die Knöchel watete. Die Bischöfe eilten herbei und stifteten Frieden, säuberten die Kirche und begannen die Messe mit feierlichem Gesange. Als der letzte Vers des Sancte Spiritus gesungen wurde:


hunc diem gloriosum fecisti (diesen Ehrentag hast Du gemacht),


rief der Teufel von oben aus der Kirche:


hunc diem bellicosum ego feci (diesen Wehrtag hab' ich gemacht).


Während Alle vor Angst und Furcht schauerten, rief der Kaiser, der des Feindes Freude sah: »Du, aller Bosheit Erfinder und Entzünder, hast diesen Tag des Streits und der Trübsal gemacht; wir aber wollen ihn mit der Gnade Gottes, der ihn glorreich gemacht, den Armen freudenreich machen.« Das Lied wurde von Neuem zu singen begonnen und die Gnade des heil. Geistes angefleht, der unter den Weinenden, den Singenden, in Trauer die Brust Schlagenden sichtlich weilte. Nach Beendigung der Messe ließ der Kaiser die Armen versammeln und vertheilte dreimal die Speisen an sie, die für ihn im Palast bereitet waren. Er selbst trug die Gerichte auf und stand wie ein Diener von ferne. Die Ueberbleibsel allein genügten ihm. Es wird erzählt, man habe lange Zeit geglaubt, daß man das Loch, durch welches der[546] Teufel gefahren, nicht habe zumauern dürfen oder können; viele Jahrhunderte blieb es offen, man besprach und besprengte es vergebens mit Weihwasser, endlich wendete man sich an den Herzog von Braunschweig und erbat sich dessen Baumeister. Diese Baumeister mauerten eine schwarze Katze mit ein und beim Einsetzen des letzten Steines bedienten sie sich der Worte: »Willst Du nicht sitzen in Gottes Namen, so sitze in Teufels Namen!« Dies wirkte und der Teufel verhielt sich ruhig, blos bekam die folgende Nacht die Mauer eine Ritze, die noch zu sehen ist bis auf den heutigen Tag. Andere sagen auch, man habe eine Bibel mit in das Loch gemauert und von der Zeit an sei es beständig zugemauert geblieben.

700

S. Abel S. 288. Rohr, Oberharz S. 453. Honemann, Alterthümer der Harzes 1754. Harrys, Volkssagen aus Niedersachsen. Celle 1840. Th. II. S. 68.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 546-547.
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