678. Das ewige Licht und die Spindel.792

[636] Es war einmal in Clausthal vor alten Zeiten ein Bergmann, der hatte sieben lebende Kinder und war durch mancherlei Unglück so in Armuth gerathen, daß er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, je wieder emporzukommen. Darum war er so sparsam, daß er nicht einmal eine Laterne mitnahm, wenn er anfahren mußte, und bei der Arbeit hat er immer so klein ausgestört als nur irgend möglich; was er von Geleuchte hat entbehren können, das hat seine Frau verkauft. So fährt er auch einmal des Nachts an, und wie er im Holze ist, verirrt er sich, denn es ist ein furchtbares Wetter und so finster, daß man seine Hand nicht vor Augen sehen kann. Endlich kommt er aus dem Walde und sieht vor sich einen Graben, kann aber den Steg nicht finden. Da sieht er in der Ferne ein Grubenlicht. Er denkt, es ist auch ein Bergmann und ruft: »Kamerad, zeig mir doch einmal den Steg!« Das Licht kommt immer näher, kommt bis zum Graben und es ist ein Geschworener. Der leuchtet dem Bergmann über den Graben. Wie er drüben ist, da ist's der Bergmönch, der ihm über den Graben geleuchtet hat. Der fragt ihn, warum er ohne Geleuchte gehe bei so finsterer Nacht, und der Bergmann erzählt's ihm, warum er das thun muß, daß er arm ist, ohne seine Schuld heruntergekommen, und daß er sparsam sein muß, um nur etwas zu erübrigen. Also schenkt ihm der Bergmönch ein Stück Unschlitt[636] von seinem eigenen Lichte, aber befiehlt ihm dabei, er soll keinem Menschen sagen, woher er das Unschlitt hat. Dies Licht nun hat ewig gebrannt und der Bergmann hat künftig kein Unschlitt oder Oel mehr nöthig gehabt. Noch in der nämlichen Nacht tritt der Bergmönch zu der Frau des Bergmanns in die Stube. Die Frau hat noch beim Spinnrade gesessen und sich entsetzlich erschreckt. Aber der Bergmönch sagt: sie soll nur ruhig sein und sich nicht fürchten und schenkt ihr eine Spindel, aber sie soll nicht sagen, woher sie die Spindel hat. Da haben nun die beiden Eheleute lange Zeit in Frieden mit einander gelebt und sie sind sehr wohlhabend geworden und dem Mann ist Alles geglückt: die Zwerge haben seine Arbeit gethan und wenn die Frau gesponnen hat, hat sie das schönste Garn in der Welt bekommen und der Flachs hat nicht abgenommen.

Nun ist aber in Goslar eine reiche Kaufmannstochter gewesen, die war neidisch auf die Bergmannsfrau, und es war zu der Zeit ein junger Rathsherr in Goslar, der hat sich in die reiche Kaufmannstochter verliebt. Sie sagte nun, sie wolle ihm ihre Liebe schenken, wenn er von der Bergmannsfrau erforschen könne, wie sie das schöne Garn mache. Der Rathsherr denkt, dazu lasse sich wohl gelangen und geht eines Abends, wie er meint, der Mann sei nicht zu Hause, nach Clausthal und sagt zu der Bergmannsfrau, sie solle nur frei bekennen, wie sie zu dem Garn käme, man wisse schon, daß sie eine Hexe sei und sie solle verbrannt werden. Da sagt sie aus Furcht, der Bergmönch habe ihr die Spindel geschenkt und giebt die Spindel her. Wie aber der Rathsherr die Spindel hat, da wird auf einmal ein Gesause und Gebrause in der Stube, und die Stube wird voll Dampf und der Wind bläst so stark, daß davon Alles über und über stürzt, und der Rathsherr flüchtet hinaus und die Frau auch. Wie er aber weg ist, da wird Alles so ruhig wie vorher und die Frau geht wieder in die Stube. Aber die Spindel ist weg und bleibt weg und seit der Zeit hat sie nur ganz gewöhnliches gutes Garn gesponnen und hat sie wollen spinnen, hat sie auch Flachs kaufen müssen, wie jede andere Frau. Aber wie nun der Goslar'sche Rathsherr an die hohe Kehle kömmt, fällt's auf einmal über ihn her und schlägt ganz unbarmherzig auf ihn los, daß er in Ohnmacht im Fahrwege liegen bleibt. Und am Morgen, wie er wieder nach Hause gekommen ist, legt er sich und stirbt nach wenig Tagen. Nun ist aber der Mann schon Untersteiger geworden, denn man hat ihn gebrauchen können. Aber die Leute haben's wohl gemerkt, daß das Licht ewig brennt. So befährt er einmal mit einem andern Steiger, der sein guter Freund ist, die Grube. Da setzt ihm der gute Freund so lange zu und sagt ihm endlich gerade heraus, die Leute sagen, er hätte einen Bund mit dem Bösen gemacht, da bekennt er. Wie er bekannt hat, geht's hinter ihnen her, als wenn Einer so recht fest auftritt, oder als wenn Einer einen recht schweren Gang hat, und wie der Blitz steht der Bergmönch vor ihnen, mit seinem silbernen Grubenlicht, so groß wie ein Scheffel, und die Flamme geht bis an die Firste und seine Augen sind wie Wagenräder und lauter Feuer. Und auf einmal giebt er dem andern Steiger, der seinen guten Freund zum Bekennen gebracht hat, eine Ohrfeige und geht in's Feste. Und der Andere, der eben gebeichtet hat, dem thut's einen Ruck am Arm und auf einmal liegt ein großes Stück Schwerspath auf seinem Lichte. Jener hat aber von der Zeit an immer den Kopf schief stehen gehabt.

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S. Harrys Bd. II. S. 48 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 636-637.
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