136. Die Gründung des Hospitals zu St. Jürgen in Stendal.189

[132] Das alte St. Georgen-Hospital zu Stendal befand sich früher vor dem Uengelinger Thore gerade an der Stelle des allgemeinen städtischen Begräbnißplatzes, welcher daher auch den Namen St. Georgen-Kirchhof erhalten hat. Da es aber mit der Zeit immer baufälliger ward, ward es im Jahre 1800 abgebrochen und, jedoch in verkleinertem Maßstabe, in der Mitte der Viehthorstraße wieder aufgebaut. Das alte Hospital bestand aus zwei großen Gebäuden und hatte eine Kirche, deren Altar mit dem Bilde des h. Georgs und des Lindwurms, seines gewöhnlichen Attributs, geschmückt war. Dasselbe Bild findet sich auch wiederholt auf den Schildern der Schlosser und Schmiede zu Stendal und in der St. Petri-Kirche sieht man auf einem sehr schönen Schnitzwerke am Altar dieselbe Begebenheit dargestellt. Nach der Sage wäre dieselbe auch wirklich hier vorgefallen. Es hätte nämlich vor alter Zeit in einem Walde vor der Stadt Stendal einst ein greulicher Lindwurm oder Drache gehaust, dem man täglich ohne die zahlreichen Schafe und Kühe auch zwei Jungfrauen zum Futter hätte bringen müssen; zuletzt sei von den Stendaler Mädchen nur noch allein die Tochter des Bürgermeisters übrig gewesen und derselbe habe dem eine große Summe Geldes und die Hand des Mädchens versprochen, welcher die Gegend von dem Ungeheuer befreien werde. Da sei der Ritter St. Georg aus Cappadocien hierher gekommen und habe nach gewaltigem Kampfe den Drachen getödtet, allein er habe die Jungfrau nicht zur Gemahlin angenommen, weil seine Bestimmung eine andere sei als ein Weib zu nehmen und eine Familie zu begründen, das Geld aber habe er dazu bestimmt, daß davon ein Hospitium für 15 alte alleinstehende Frauen begründet werde, die dort für ihr Alter versorgt würden. Dies ist auch geschehen und die That des wackern Ritters ist in Holz dargestellt worden, jede Hospitalitin aber mußte seitdem bei ihrem Eintritt in das Haus das Bild mit frischen Kränzen zieren.

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Nach Weihe, Bd. I. S. 7 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 132.
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