178. Das Gespenst zu Schorstedt.237

[160] Im Jahre 1643 und im Januar 1644 hat in der Altmark und zwar in einem Dorfe Schorstedt, zwei Meilen von Stendal, ein wunderlicher Geist sich hervorgethan, und in einem Hause, so Joachim Sandmann, einem Bauer, zuständig, viel seltsame Dinge getrieben. Mit Poltern, Ruthen- und Stockschlägen, mit Umherwerfen heißer Steine sahen sich die Leute geneckt. In die Speisen wurden Lehmklöse und Ziegelsteine geworfen, unter dem Bette entdeckte man einen Brand gelegt, auch ein Stall ward angesteckt, daß man genug zu löschen hatte. Eine Person verlangte von dem bisher unsichtbaren Unholde, er solle sich doch abmalen. Da zeigten sich denn an der Wand scheußliche Gestalten eines Drachen, Wurms und Basiliskenkopfs. Bald ward der Kindermagd des Bauern geboten, sich in eine Kammer zu begeben. Mit Blut hier im Gesichte bestrichen, umhangen mit einem Bluttuche erhielt sie den Befehl, ins Dorf und auch in die Stadt zu gehen, um den Leuten die Nähe des Weltendes zu verkündigen und zur Bekehrung zu ermahnen. Außerdem prophezeite das Gespenst die Auferstehung zweier kürzlich verstorbenen Predigerfrauen und rief über N.N. (der Name ist nicht genannt) ein trauriges Wehe aus. Für den Teufel wollte indeß der Geist nicht gehalten werden, sondern vielmehr für einen Engel vom Himmel. Unser sind drei, ließ er sich vernehmen: des Joachim Sandmanns erste Frau und seine verstorbenen zwei Kinder. Die Magd bezeugte auch, drei Geister, einen großen und zwei kleine, gesehen zu haben. Um sich recht als guter Geist darzustellen, ließ der Spuck in der Kirche sechsmal für sich bitten, gebot das Zeichen des Kreuzes vor ihm zu schlagen und forderte einen Kreuzthaler. Er verlangte auch, daß die Leute auf den Knieen beten und singen sollten, unter andern das Kirchenlied: Nun laßt uns Gott den Herrn etc. Er reichte ferner den Versammelten Brot und Käse mit Blutstropfen vermischt als heilige Speise, ja stellte ein förmliches Katechismusexamen mit ihnen an.[160] Dem Besitzer des Hauses, in welchem er sein Wesen trieb, und welcher dasselbe verlassen hatte, hieß er getrost, aber an einem Freitage zurückzukehren. Zu dem damaligen Pfarrer in Schorstedt schickte er einige Gemeindeglieder ab, die ihn auffordern sollten mit ihm zu singen und zu beten. Die Ungläubigen bedrohte er indeß mit Feuer, Schwert und Mord. Sein Vorgeben, der Geist der ersten Frau Sandmanns zu sein, suchte er durch eine besondere Sorgfalt für das nachgelassene Kind derselben zu beweisen. Er untersagte der Stiefmutter mit Strenge jede Härte gegen dasselbe und befahl es mit ordentlichen Kleidern zu versehen. Die Sache machte das größte Aufsehen, denn die Sage drang bis zu dem Hofe Friedrich Wilhelms des Großen. Der Superintendent Johann Strelius erhielt den Befehl sich persönlich nach Schorstedt zu verfügen, Alles mit Fleiß zu untersuchen und genauen Bericht zu erstatten. Auf dieser Reise soll sich nun nach der Erzählung seines Schwiegersohnes, des M. Christ. Scriver, folgender Vorgang zugetragen haben. Ein Prediger des Stendalschen Kreises, zu Neuendorf, auf dem Wege nach Schorstedt, erbot sich seinem Vorgesetzten und Freunde zum Begleiter. Strelius erinnerte ihn zuerst an Sirachs Worte: Was Deines Amtes nicht ist, da laß Deinen Vorwitz, ließ sich aber doch hernach die Mitreise gefallen. Kaum ist indeß der Prediger in dem verhängnißvollen Hause angelangt, so empfindet er ein unerträgliches Jucken und Beißen am ganzen Körper. Er kann die Zeit nicht erwarten, bis er, nach geendigter Untersuchung, in das Pfarrhaus zurückgekehrt ist. Hier findet er sich denn von einer unzähligen Menge sechsfüßiger Insekten von grüner, rother, schwarzer, weißer und blauer Farbe übersäet. Erst nachdem er wieder zu den Seinen gelangte, ward er durch leibliche und geistliche Mittel von dieser schlimmen Strafe seines Vorwitzes befreit. Was nun die Untersuchung selbst anlangt, so kam eigentlich so gut wie nichts zu Tage; zwar fanden sich auch hier bei der von der gastlichen Commission im Hause des Sandmann gehaltenen Mahlzeit Lehmklöße und Ziegelsteinbrocken unter den Speisen, allein als der Geistliche drei Kreuze in die Luft machte und eine Beschwörung aussprach, ertönte ein Wehlaut durch das ganze Zimmer, das Licht erlöschte und das Haus erbebte von einem herzurollenden Donner, der Küster aber ward mit heißen Steinen geworfen. In der Nacht selbst vernahm man Sturm durch das Haus dröhnen und plötzliche Lichtstrahlen fuhren durch dasselbe. Weiter konnte aber Herr Strelius dem Churfürsten nichts berichten. Am andern Tage hielt er eine Predigt, in welcher er die ganze Erscheinung für ein Blendwerk des Teufels erklärte und beschloß den Gottesdienst mit einem Gebet um Abwehr des Bösen. Allein bei seinem Weggange aus dem Hause ordnete er an, die Magd, die Tochter des Küsters am Orte, zu entlassen, und sonderbar genug, von diesem Augenblicke an kehrte der Spuk daselbst nicht zurück.

Ein ähnlicher Spuk ist im Jahre 1659 zu Türitz, vier Stunden von Apenburg gelegen, wo auch am Tage des 15. Junius das Pfarrhaus zur Hälfte abgebrannt ist, vorgekommen. Dort hat man nämlich vorher vielfaches Poltern im Hause gehört und zu dreien Malen in den Zimmern glühende Kohlen liegen gefunden. Allein letzteres scheint wohl dahin zu gehen, daß man die Unvorsichtigkeit mit dem Feuer darunter hat verstecken oder die Schuld auf Andere schieben wollen. Wohin auch wohl die Streitigkeit[161] gehört, in welcher damals der Prediger mit der Gemeinde soll gestanden haben.238

237

Nach Johann Strelius, Altmärkischer Superintendent. Φασματοστεψια Schorstediana. Das ist christliches Bedenken und Gutachten, was von dem Polter und hernach redendem Geiste, So sich in einem Dorffe, Schorstädt genannt, hat herfürgethan, zu halten, sambt Nützlichem Unterricht, was dabei zu bedenken, in eine kurze Predigt gefasset und Dom. IV. post Epiphanias in Stendal gehalten A. Chr. 1644. Berlin bei George Rumpens. 1644 in 4°. Beckmann Th. V. Bd. I. Cap. II. S. 261 etc. Christ. Skriver, Das verlorene und wiedergefundene Schäflein. Berlin 1695 in 4°. Anh. S. 276-279. Kahlbau, Erzählungen und Sagen aus der Altmark S. 1, 65 etc.

238

Nach Beckmann Th. V. Bd. I. Cap. IX. S. 94.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 160-162.
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