195. Hexengeschichten aus Neuendorf in der Altmark.258

[174] Im Jahre 1652 den 17. Mai hat ein Weib, Namens Clara, von Kaßika, einem zum Kloster Neuendorf gehörigen Dorfe, welche wegen der Hexerei sehr verdächtig gewesen, und auch schon einmal deswegen torquirt worden, aber nichts bekannt hat, sich selbst des Morgens mit einem Messer im rothen Häuschen die Gurgel abgeschnitten und ist vom Henker begraben worden. In eben dem Jahre, den 17. December, ist Anna Görges wegen der Hexerei, daß sie dem Müllermeister Jürgen Wibeken, seine Frau, Sohn und zwei Pferde vergeben, etwa eine halbe Meile vom Kloster bei dem Neuendorfschen Gerichte öffentlich verbrannt worden.

Den 20. Julius 1660 ist Grete Schulzin, genannt die Meckelbursche, nachdem sie in der Tortur, der der Pfarrer des Klosters Neuendorf, Jeremias Jocardus, auf Begehren des damaligen Amtmanns, Herrn Johann Witte, beigewohnt, bekannt, daß sie mit dem Teufel, den sie Hans genannt,[174] allbereit bei Pappenheims Zeiten (im 30jährigen Kriege), da der in der Altmark gelegen, angefangen ein Pactum aufzurichten, da sie denn Gott hat verschwören, sich hat dem Teufel übergeben und seines Willens zu vielen Malen pflegen müssen, auch sonsten hin und wieder auf Wiesen, Kreuzwegen und anderswo mehr auf des Teufels Befehl und Antrieb, der ihr auch Ort und Stelle benennet, wo sie es hingießen solle, Gift ausgegossen hat, dadurch Menschen und Vieh zu Schaden gekommen sind, wie sie denn hierum, da sie es nicht gern hat thun wollen, vom Teufel übel tractirt worden ist. Selbige obgemeldete Hexe ist auf solch ihr Bekenntniß, wobei sie beständig verblieben, nach Ausspruch der Rechtsgelehrten in der Universität Helmstädt verurtheilt und am 20. Juli vor dem Kloster Neuendorf auf dem sonst gewöhnlichen Richtplatze lebendig auf einen Holzhaufen gesetzt und so, daß Jedermänniglich wohl hat sehen können, verbrannt worden. Mit dieser Hexe ist auch zu gleicher Zeit die alte Schmedtsche aus Helmstädt und zwar noch etliche Wochen nachdem jene verbrannt, gefänglich gehalten worden. Und ob sie gleich zur Tortur gebracht und mit ihr ziemlich ist verfahren worden, hat sie doch zu keinem Bekenntniß gebracht werden können, weswegen sie wiederum auf freien Fuß gestellt worden. Es hat aber die Meckelbursche öffentlich vor Gericht, da sie ihr Urtheil anhören mußte, auf sie bekannt, ist auch darauf beständig geblieben.

Im Jahre 1669 ist die alte Schulzin von Cinow, so wegen der Hexerei längst verdächtig gewesen, von Paul Dravenen aus Cinow dem Amte denuncirt worden, welches auch sofort die Inquisition gegen diese verdächtige Person angestellt und nachher von der löbl. Juristenfacultät in Helmstädt darüber erkennen lassen, die denn ihr nach eidlicher Abhörung der Zeugen die Tortur zuerkannt, welche auch, nachdem sie oft gütlich ermahnet worden, endlich am 3. Januar 1670 Morgens um 2 Uhr bei ihr durch den Scharfrichter von Gardeleben vorgenommen, da sie eben nichts mehr bekannt, als daß sie Paul Dravenen nachgesehen. Um 4 Uhr desselben Morgens ist Kaspar Kratz, Pastor des Klosters Neuendorf zu ihr gefordert worden und hat sie nochmals ermahnet; sie hat aber nichts bekannt, sondern immer vorgewendet, sie wisse von nichts, sie sei unschuldig. Darauf weil der Pfarrer nichts bei ihr hat ausrichten können, ist er von ihr gegangen. Es ist aber diese Schulzin noch denselben Tag gegen Abend um 5 Uhr eines natürlichen Todes gestorben, und sie soll noch vor ihrem Tode zu verstehen gegeben haben, daß sie Paul Dravenen behext, wie aber und womit, hat man von ihr nicht herausbringen können. Nach dem Spruch der juristischen Facultät zu Helmstädt ist ihr das Begräbniß auf dem Kirchhofe zu Cinow zuerkannt worden, doch ohne Klang und Gesang.

Anno 1671 auf heil. drei Könige ist eine Magd mit Namen Trine von Alt-Salzwedel bürtig, so bei dem Krüger allhier gedient, wegen eines bösen Geschreies vom Churfürstl. Amte eingezogen worden, da sie denn nicht allein gegen den Amtmann, sondern auch gegen den obgedachten Pastor Kratz bekannt, daß sie, wiewohl aus großer Bestürzung, da ihr ihre Mutter bei ihrem Abschiede übel nachgefluchet, ein Pactum mit dem Teufel, und nachher, wiewohl gezwungen, Beischlaf mit ihm gehalten. Der Pfarrer ist denn zu ihr am andern Tage ins Thurmhaus gegangen und hat sie, äußerlich davon zu judiciren, gute Anzeigung einer rechtschaffenen Pönitenz verspüren lassen. Weil sie denn bei ihrer gethanen Confession beständig beharret, hat endlich[175] nach vorhergegangenen vielen Interlocutorien die fürstliche Facultät zu Helmstädt ein solch Endurtheil gefället, daß ihr vorher der Kopf abgehauen und nachgehends der Körper sollte verbrannt werden. Seine Churfürstl. Durchlaucht aber haben gemeldetes Urtheil solchergestalt gemildert, daß ihr die Lebensstrafe völlig erlassen, nur daß sie auf dem Amte lebenlang spinnen und verwahrlich bleiben sollte. Sie hat sich aber wenig Tage nach Publicirung solches gemeldeten Urtheils des Nachts davon gemacht und ist in der Roggenernte davon gegangen.

Anno 1727 den 27. Junius ist Herrn Wiehen's Knecht, Hans Peter Berendt (ein ruchloser Kerl, ein Frevler und muthwilliger Sonntagsentheiliger, der mit Wissen und freimüthigem Vornehmen, er wisse, daß am Sonntag zu arbeiten Sünde sei, er wolle es aber doch thun, den Sonntag entheiligt und der in dem Rufe, daß er mit Schencken seinem Eheweibe, ob er gleich selbst sein Weib hier hatte, in unzulässiger Freundschaft lebe) auf der Algenstedtschen Wiese, mähet Gras aus dem Busche und Nachmittags um 3 Uhr ohngefähr, als er die Sense schärfet, wird er neben sich gewahr einen großen schwarzen Kerl, den Hut um den Kopf hängend, ein schwarz Gewand tragend, so geschienen als sey es aus einem Stück gemacht, tragend in seinen Händen einen schwarzen Stock mit weißem Knopf. Er erschrickt dergestalt, daß er ganz verstummet und auf dessen Anrede, was er da mache und wo sein Herr sey, kein Wort antworten kann. Der Kerl faßt ihn beim Arme, schleppt ihn fort, und indem er vor dem Werweln Busch vorbeikam, windet er eine Weide oder Weidengerte, schneidet sie ab, drehet sie vollends zurecht, stößt ihm den Hut ab, steckt ihm die Weide über den Kopf, sprechend: »Hier will ick di uphangen!« Der Berendt wehret sich mit einer Hand und stößt die Weide wieder ab vom Kopf und pfeift auf dem Finger zweimal. Inzwischen hat der schwarze Kerl, der nichts Weißes als die Zähne an sich gehabt, ihn mit der Faust auf die Brust gestoßen, und mit dem Fuß in den Rücken, daß er zu Boden gefallen und große Schmerzen darob empfunden. Als auf das Pfeifen und Rufen: »Helpe! hier will my ein schwarzer Kerl uphangen«, der Herr, der Dienstjunge, die Fiehmannsche, die Sonnenscheinsche herbeigelaufen sammt der Schencksche sind, da sie gehört: mich will einer aufhangen, haben ihn auch ganz blaß und zerstört auf der Sense aufgerichtet sich lehnend gefunden. Er selbst aber hat referirt, da die Andern geantwortet, habe der Schwarze ihn verlassen und sey wieder in den Busch gegangen. Er, der Knecht, will ihnen davon erzählen, fällt auf den Rücken ohnmächtig nieder mit Ungeberden und starkem Herzklopfen. Sie stehen Alle und sehen ihn an, meinend, er werde sterben; erdreistet sich endlich die Fiehmannsche, greift ihn an und ermuntert ihn wieder. Da er ihnen denn Obiges erzählt und beigefügt, er habe so viel gekriegt, daß er's im Jahre nicht verwinden werde, wie er denn etliche Tage sich nicht zur Erde beugen können, auch mit der Hand kein Brot schneiden, vor der Brust auch empfindliche Schmerzen empfunden. Die Weide haben obgedachte Personen in Händen gehabt, aber auf der Wiese liegen lassen. Dieses ist allerdings der Teufel mit seinen eisernen Klauen gewesen und hat's der Berendt selbst mit erzählt, wie er ihn gestoßen, geschleppet, die Weide gewrungen, mit einem Messer, so er aus der Tasche genommen, abgeschnitten und ihm über den Kopf gesteckt, so er wieder abgestoßen.

258

Nach El. K. Reichard, Vermischte Beiträge zur Beförderung der nähern Einsicht in das gesammte Geisterreich, Helmstädt 1788, Bd. II. S. 417 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 174-176.
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