280. Der Warner vor der Schlacht und die Magdeburger Taufe.345

[231] Im Jahre 1550 hatten die Magdeburger einen schweren Krieg mit dem Herzog Georg von Mecklenburg. Dieser war in das Magdeburger Land eingefallen und trieb ein arges Wesen mit Rauben, Plündern und Brandschatzen, also daß des Flehens des Landvolks an den Rath zu Magdeburg um Hilfe und Errettung mit jedem Tage mehr ward. Da rüsteten sich denn die Magdeburger und am Tage Mauritii, welcher damals war der 22. Tag des Septembers, zogen sie aus, dem Feinde eine große Schlacht zu liefern. An ihrer Spitze waren der Bürgermeister Georg Gericke und Hans Müller, nebst dem Hauptmann Hans Springer.

Nun ist aber den Magdeburgern der Monat September und der Tag St. Mauritii in ihren Kriegsläuften gemeiniglich unglückbringend gewesen, denn sie sind zweimal an demselben Tage und eben bei dem Flusse, Ohre genannt, geschlagen worden. Es ist aber, wie dem Pomarius von einigen alten Leuten, die persönlich dabei gewesen waren, glaubwürdig berichtet worden ist, den Magdeburgern bei ihrem Auszuge vor dem Dorfe Barleben, eine Meile Wegs von der Stadt, ein feiner langer ansehnlicher Mann, der Kleidung nach einem Bauersmanne nicht unähnlich, begegnet und hat sie gefragt, wo sie mit dem Kriegsvolke und der Kriegsrüstung hinausgedächten, und der hat sie, nachdem sie ihm ihr Vorhaben berichtet, mit aufgehobenen Händen herzlich gebeten und verwarnt, von ihrem Vorsatze abzustehen, wieder umzukehren und ihre Stadt in Acht zu nehmen, und ja an diesem Ort und zu dieser Zeit jetzt nichts vorzunehmen, sintemal eben vor 200 Jahren auch die Magdeburger an demselben Tage und Orte geschlagen worden wären, wie denn ein Jeder, der es nicht wisse, auf der Tafel in der St. Johanniskirche zu Magdeburg lesen könnte, und es werde ihnen, wofern sie fortführen, gewiß auch diesmal nicht glücklich ergehen. Ob nun wohl Etliche sich über die Person[231] und Rede dieses Mannes verwunderten, so haben doch sehr Viele seiner gespottet und die Warnung höhnisch verachtet und verlacht, von welchen Spöttern doch hernach keiner in der Schlacht unerschlagen oder ungefangen geblieben sein soll. Man sagt aber, diese Person sei ein gar alter eisgrauer Mann, aber von so schönem, holdseligem, röthlichem und jungem Angesichte gewesen, daß es zu verwundern gewesen. Wie nun demnach leider so zugetroffen ist, wie er geweissagt hat, hat man allenthalben fleißig Nachforschung nach diesem Manne gehalten, aber Niemand erfragen können, der denselben zuvor oder hernach gesehen hätte. Darum ob er ein Mensch oder Engel gewesen, auch Niemand hat erforschen können. Uebrigens sind die Magdeburger in jener Schlacht, obwohl sie zuerst angegriffen haben, schon nach einer halben Stunde so aufs Haupt geschlagen worden, daß sie 1200 Todte und 300 Gefangene verloren und 11 Stück Feldgeschütze und 11 Bürgerfähnlein in die Hände des Feindes fielen.

Es hat sich aber hierbei noch folgende merkwürdige Begebenheit zugetragen, so Vielen das Leben gekostet hat. Die Magdeburger hatten nämlich, als sie dem Feinde entgegen gingen, das Flüßlein, die Ohre genannt, passiren müssen, welches zu damaliger Zeit gerade sehr tief war. Sie hatten daher eine seichte Stelle gesucht, durch welche sie ohne große Beschwerden über den Fluß gelangten und dieselbe, um sie bei ihrer Rückkehr desto sicherer wieder zu finden, mit einem Merkmale bezeichnet. Wie sie aber nun von dem Feinde geschlagen und zu einer eiligen Flucht gezwungen wurden, da war unterdessen, ohne daß sie etwas davon wußten, das Zeichen von der Furth weggenommen und an eine Stelle gesteckt worden, wo die Ohre gerade am allertiefsten war. Die Magdeburger glaubten, das sei ihre Furth, sie stürzten in ihrer großen Angst sich in die Tiefe hinein und fanden einen gar jämmerlichen Tod im Wasser. Auf welche Weise das Zeichen von seiner alten Stelle weggekommen war, hat man niemals erfahren können. Die Stelle jedoch, wo solches passirt ist, heißt noch bis auf den heutigen Tag die Magdeburger Taufe.

345

Nach Pomarius F.Z. ij. Beckmann, Historische Beschreibung von Brandenburg Th. IV. S. 974.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 231-232.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band