395. Die Geißler zu Erfurt.481

[341] Um dieselbe Zeit, also im Jahre 1349, kamen auch die Geißler, Kreuzbrüder oder Flagellanten nach Thüringen. Wenn sie geißelten, sangen sie:


Nun tretet her, wer büßen will,

Lucifer ist ein bös Gesell,

Hui, haltet auf Eure Hände,

Daß Gott dies Sterben von Euch wende.


In die Stadt wurden sie nicht gelassen; es kamen ihrer aber bei 3000 zu Ilversgehofen an. Sie gingen bei Paaren, der vorderste trug eine Fahne, und sie waren alle bis an die Lenden nackend, hatten leinene Schürzen vor, so bis auf die Schenkel gingen, und weiße Hüte, mit weißen Kreuzen hinten und vorn, auf den Köpfen. Sie hieben und peitschten sich knieend mit drei Riemen, darin Knoten mit eisernen Nägeln geflochten waren, zweimal des Tages und einmal des Nachts. Ihre Gesellschaft bestand aus Männern, Weibern und Kindern, die lauter Idioten und ungelehrte Leute waren. Sie nahmen aber kein Geld, sondern allein essende Waare, was man ihnen gab. Wenn sie in eine Kirche kamen, schrieen sie so heftig, daß Priester und Alles still schweigen mußte. Aus dieser Secte war einer, der hieß Constantinus, und gab sich für Gottes Sohn aus. Er wurde auf dem großen Markt zu Erfurt verbrannt. Er sagte zwar, er wolle nach drei Tagen wieder auferstehen, er ist aber weder Simoni noch einem Andern erschienen.

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Nach Falkenstein S. 228.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 341-342.
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