425. Die Seelöcher bei Crimderode und bei Wechsungen.513

[363] Eine halbe Stunde von Nordhausen liegt das malerisch gelegene Dorf Crimderode. Auf einer in der Nähe des Dorfes gelegenen Wiese erblickt man zwei mit Wasser gefüllte ungeheure Löcher. Am 21. April 1710, dem zweiten Ostertag, kam ein Fuhrmann des Weges und war eben im Begriff, durch das Flüßchen Zorge zu fahren, als er fühlte, daß die Erde unter ihm zittere und wanke. Erschrocken hielt er die Pferde an und blickte umher. Da sah er, daß sich die Erde an fünf Orten von einander riß, der Erdspalt große Stücken verschlang und selbst den Strom verschluckte, welcher auch gegen eine Stunde ausblieb. Auf der benachbarten Wiese aber stiegen zwei große Wasserstrudel fast wie ein Haus hoch in die Höhe, warfen mit großem Brausen einige mit sammt den Wurzeln ausgerissene Bäume empor und schleuderten dieselben eine bedeutende Strecke weit fort. Nachdem das Wasser gesunken war, blieben die zwei mit Wasser gefüllten Löcher zurück, wie sie noch heut zu sehen sind und die damals eine Tiefe von 10 Klaftern hatten. Dieser Wiese gegenüber befindet sich oben in einem Felsen eine Vertiefung, welche die Goldschmieds-Höhle genannt wird, weil der Sage nach im 30jährigen Kriege sich hier ein Goldschmied lange Zeit verborgen haben soll.

Zwischen Klein-Wechsungen und Hochstädt liegen auf einer kahlen Höhe zwei andere Erdfälle, rund und trichterförmig gestaltet; der Umkreis des obern Randes beträgt 160 Ruthen, der des Wassers, das aber erst in einer Tiefe von 11 Ruthen beginnt und an seinen tiefsten Stellen 36 Ellen tief ist,[363] 117 Ruthen. Der Durchmesser der oberen Peripherie ist 51, der des Spiegels 36 Ruthen. Früher war eine schwimmende Insel darauf, die vom Blitze auseinander geschlagen ward und zuletzt festwurzelte. Ueber die Entstehung dieser Löcher hat man folgende Sage.514

In alten Zeiten war an der Stelle des Sees eine Grasweide. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh, und als die andern sahen, daß einer unter ihnen weißes Brod aß, bekamen sie auch Lust, davon zu genießen und forderten es dem Jungen ab. Dieser wollte ihnen aber nichts davon mittheilen und gab vor, er bedürfe es zur Stillung seines eigenen Hungers. Darüber erzürnten sie, fluchten ihren Herren, daß sie ihnen blos gemeines, schwarzes Hausbackenbrod gäben, warfen ihr Brod frevelhaft zur Erde, traten es mit Füßen und geißelten es mit ihren Peitschen. Alsbald kam Blut aus dem Brode geflossen. Da erschracken die Knechte und wußten nicht, wohin sie sich vor Angst wenden sollten. Der Unschuldige aber, den, wie Einige hinzufügen, ein alter unbekannter, dazukommender Mann gewarnt haben soll, schwang sich zu Pferd und entfloh dem Verderben. Zu spät wollten die andern nachfolgen, sie konnten nicht mehr von der Stelle und plötzlich ging der ganze Platz unter. Die bösen Buben wurden sammt ihren Pferden tief in die Erde verschlagen und nichts von ihnen kam je wieder an's Tageslicht. Aus dem See aber wachsen seitdem Pflanzen mit Blättern gleich Hufeisen.

In der Nähe des Dorfes Salza bei Nordhausen befindet sich das sogenannte Loch, in welchem sich die Quelle der Salza bildet. Es ist zirkelrund, hat cristallhelles Wasser und wenn die Sonnenstrahlen darauf fallen, blickt man tief hinab in ein trichterförmiges, grausiges, aber wunderschönes Wasserbecken. Man glaubt einen Zaubergarten vor sich zu sehen, denn die Seitenwände sind mit Wasserpflanzen bedeckt, die leise hin und her schwanken und aus lauter funkelnden Edelsteinen verfertigt zu sein scheinen. Blätter, breit und gezackt, wie aus Rubin, Zweige, wie aus Gold- und Rauchtopas, Moos und Flechten aller Art, aber Alles ist wie mit einem Anstrich von Smaragdgrün überflossen und der ganze Quell selbst sieht wie ein smaragdner Kelch aus.

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Nach Thüringen Bd. IV. S. 135. 141.

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Nach Behrens, Curioser Harzwald S. 85, und Grimm, Deutsche Sagen No. 237. Abweichend Gottschalk S. 36 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 363-364.
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