428. Der unterirdische Gang im Nonnenkloster zu Langensalza.517

[366] Zu Langensalza war vor der Zeit ein Nonnenkloster zu St. Bonifacius, dasselbe ward nach der Säcularisation in die fürstliche Amtsschreiberei verwandelt.[366] In diesem Gebäude befindet sich nun ein Keller, der von den Amtsschreibern zu ihrer Haushaltung benutzt ward. Stieg man von oben zehn bis zwölf Stufen in denselben hinab, so kam man in einen zweiten ziemlich langen Vorkeller. Zur rechten Hand ging er weit hinaus und am Ende desselben war eine Thüre, wodurch man abermals in einen andern Keller gelangte, wo früher eine Malzdarre stand, die dazu gebraucht ward, das Malz zu dem Hausbiere zu dörren, welches der Amtsschreiber für sich und seine Familie brauen durfte. Der andere Vorkeller, welcher gerade durchging, wenn man die Treppe hinabkam, führte zu einer Treppe, welche ohngefähr 6-8 Stufen weiter hinab in einen andern Keller führte. In diesem hintersten Keller war ganz hinten in der Wand eine zugemauerte Thüre, welche gegen Anfang des vorigen Jahrhunderts aus folgendem Grunde zugemauert ward. Es hatte sich nämlich ein Schreiber des damaligen Amtsschreibers beikommen lassen, aus Neugierde durch die früher hier befindliche Thüre in den dahinter verborgenen geheimen Gang zu gehen, weil er vermeint hatte, darin einen Schatz zu finden. Er hatte zu diesem Zwecke mit der Hausmagd, welche den Schlüssel zu diesem Keller hatte, es so abgeredet, daß er zu einer gewissen Zeit in der Nacht in diese Höhle oder Gang gehen wolle. Die Magd aber hatte ihm vorher versprechen müssen, im Keller vor der Thüre mit einem brennenden Lichte zu warten, bis er wieder herausgekommen sein werde. Nachdem sich der Schreiber mit einigen Lichtern, auch mit einer guten Pechfackel versehen, tritt er mit zwei brennenden Lichtern seinen Marsch in den finstern Gang an. Die Magd verliert ihn gar bald aus den Augen, bis endlich derselbe auf Händen und Füßen ohne einiges Licht wieder herausgekrochen kommt, und so ohnmächtig ist, daß er kein Wort reden kann. Er wird auch hierauf so krank, daß man sich im Hause nicht genug hat wundern können, woher bei diesem Menschen eine so große Veränderung entstanden ist. Endlich ist soviel herausgekommen, daß dem Schreiber, als er etliche zwanzig Schritte in dem Gange fortgegangen, auf einmal alle beide Lichter ausgegangen seien, worüber er so erschrocken ist, daß er um und in Ohnmacht gefallen ist. Als er eine gute Weile so gelegen, ist er auf Händen und Füßen fortgekrochen, wobei er immer ersticken wollen, indem er keine Luft schöpfen oder Athem holen konnte, welches ohne Zweifel daher kam, daß durch die Länge der Zeit alle Luftlöcher verfallen gewesen. In Folge dieser Begebenheit ist aber der Eingang zu dem Gange gänzlich zugemauert worden. Uebrigens hat besagter Gang bis an den Ort gereicht, wo jetzt die Superintendentur bei der Kirche zu St. Stephan steht und da hat im Papstthum ein Mönchskloster gestanden. Von da ist der Gang aber noch weiter bis in das frühere Kloster Hamburg gegangen, welches 3/4 Stunden von Langensalza entfernt gewesen ist.

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Nach Variamandus, Histor. Nachrichten von unterirdischen Schätzen. Erfurt und Leipzig 1738 in 8. S. 67. etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 366-367.
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