432. Die drei Rebhühner zu Mühlhaufen.521

[370] An der Marienkirche zu Mühlhausen befinden sich drei in Stein gehauene Rebhühner und erinnern an folgende wunderbare Begebenheit.

Es sollen kurz nach dem Beginnen der Reformation, die bekanntlich in Thüringens reichen Auen sehr frühzeitig viele Anhänger fand, in einer Trinkstube der Stadt Mühlhausen zwei katholische Prälaten bei einem leckern Mahle gesessen und sich über die Fortschritte des Ketzerthums unterhalten haben. Der eine hat jedoch gemeint, es werde schwer halten, die neue Lehre gänzlich wieder zu unterdrücken, und da hat sich der andere der geistlichen Streiter so erzürnt, daß er, auf die drei eben auf die Tafel gesetzten Rebhühner zeigend, ausrief: »So wenig diese drei Rebhühner, die eben erst aus der Küche und vom Bratspieß kommen, wieder lebendig und davon fliegen werden, ebenso wenig wird die ketzerische Lehre des Augustinermönchs hier in dieser Stadt mächtig werden!« Aber siehe, kaum waren diese prophetischen Worte dem Munde des Priesters entflohen, da fing vor ihren Augen der Braten in der Schüssel an sich zu bewegen, die Rebhühner erhoben sich, es wuchsen ihnen wieder Federn an Leib und Flügeln und empor flatterten sie und flogen vor den Augen der erschrockenen Zecher zur Thüre hinaus. Man eilte ihnen nach und sah sie auf einem Strebepfeiler der Marienkirche rasten; da wurden sie plötzlich in Stein verwandelt und sitzen noch jetzt da als Träger der Sage, ein sichtliches Wunder.

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S. Thüringen Bd. VI. S. 20.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 370.
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