17. Die goldenen Haare.

[447] In einem Dorfe am Fuße des Kiffhäuser waren junge Mädchen und Bursche in der Spinnstube beisammen, es wurde erzählt, gesungen, gelacht und gescherzt und endlich setzten die Mädchen ihre Rädchen bei Seite, um[447] ein Pfänderspiel zu beginnen. Eins von den Mädchen war aber nicht recht beliebt, daher wurden ihr immer die schwersten Pfandauslösungen aufgegeben, weil der Inhaber der Pfänder allemal ein verabredetes Zeichen gab, wenn ein Pfand von jener an die Reihe kam. So geschah wieder die Frage: »Was soll das Pfand thun, welches ich in meiner Hand habe?« Antwort: »Es soll auf das Kiffhäuserschloß gehen und zum Zeichen, daß es dort gewesen, Kaiser Friedrichen drei Haare aus seinem rothen Barte rupfen und mitbringen.« Das Mädchen mochte wohl merken, daß man sie aus der Gesellschaft weghaben wolle, und ging, doch hatte sie ein Pfand gegeben, das sie nicht im Stich lassen wollte. Niemand dachte mehr an sie, allein als eine gute Stunde vergangen war, war sie wieder in der Stube und brachte drei brennendrothe Haare mit. Staunend ward sie angeblickt, die Haare waren aus des Kaisers Bart, das war kein Zweifel. Das Mädchen hatte ihn gesehen, gesprochen und die Haare nehmen dürfen, nur das war ihr anbefohlen worden, dieselben heilig aufzubewahren. Sie legte die Haare in ein großes Papier gewickelt in ihre Lade und vergaß sie. Ein Jahr darauf ohngefähr fiel ihr das Papier beim Räumen in die Augen, sie nahm es zur Hand, aber es war zu schwer, daß sie es kaum heben konnte: die drei Haar hatten sich in drei zolldicke Goldstangen verwandelt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 447-448.
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