698. Ludgerus und die Gänse.814

[676] Als der h. Ludgerus einmal in dem Kirchspiele Billerbeck spazieren ging, da kam er vor einem kleinen Tagelöhnerhäuschen vorbei. Der Besitzer trat an die Thüre und klagte dem heiligen Manne seine Noth also: »Hört«, sagte, er, »es kommen alle Tage eine Menge Gänse auf meinen Acker, die fressen mir das Bischen Getreide weg, welches ich darauf stehen habe, und wenn ich sie auch wegjage, so hilft mir das nicht viel, denn sie kommen immer wieder.« Da fing Ludgerus an zu lachen und sagte dem Manne: »Du bist ein dummer Bauer, sage Du den Gänsen, sie sollen in Deinen Stall gehen!« und dann ging er wieder ab. Der Bauer aber war klug genug; er dachte: »nützt es nichts, so schadet es auch nichts!« Darauf ging er auf sein Feld und sagte zu den Gänsen: »Nun geht ihr mir alle da in den Stall hinein!« Er hatte es kaum gesagt, da kamen die Gänse in einer langen Reihe an und gingen eine nach der andern in den Stall hinein. Am nächsten Tage kam der heilige Ludgerus wieder vorbei und fragte den Bauer: »Na wie steht es mit den Gänsen?« Da fiel der Bauer auf seine Kniee und sprach: »Herr, sie sind alle in meinem Stalle drinnen!« Da lachte Ludgerus wieder, drohte den Gänsen mit dem Finger und sprach: »Daß ihr mir nicht wieder herausgehet!« Seitdem sind die Gänse immer in dem Stall geblieben und haben dem Bauer sein Getreide nicht mehr aufgefressen.

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S. Münsterische Geschichten S. 182.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 676-677.
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