705. Amtmann Timphot.821

[679] Vor alten Zeiten, als die Nonnen noch in dem Tilschen Kloster wohnten, da logirte auf der Süntilger Straße ein fürstlicher Amtmann, ein sehr stolzer hoffärtiger Mann, der immer nur in einer großen, mit schönen Pferden bespannten Kutsche herumfuhr. Er hatte dabei einen grünseidenen Rock an, trug eine weiße Perücke und einen großen grauen Pumphut, weshalb ihn die Leute Amtmann Timphot oder Pumphut nannten. Am Tage der heiligen Scholastika, der auf den 10ten Februar fällt, fiel nun immer ein großes Fest in dem Kloster und die Lauter läuteten den Tag vorher und das ganze Fest über, daß jeder Christenmensch daran seine Freude hatte. Dem Amtmann aber paßte das gar nicht und er ließ den Nonnen mehr als einmal sagen, sie sollten das unnütze Läuten unterlassen, es störe ihn. Die Nonnen kehrten sich natürlich nicht daran, sondern ließen immer lustig darauf los läuten. Nun kam auch einmal wieder der Scholastika-Tag, da fuhr der Amtmann in seiner prächtigen Kutsche, den grünseidenen Rock an, die weiße Perücke und den Pumphut auf, über die Süntilger Straße gerade an der Kirche vorüber, als die Glocken eben recht im Gange waren. Da sah er sich nach dem Thurme um und rief: »Scholastika, Scholastika, ich wollte, daß Dich der Teufel holte!« Er hatte aber kaum diese gottlosen Worte gesprochen, da kamen gleich zwei Teufel durch die Lüfte und Wagen und Pferde und Amtmann versanken tief in die Erde. Da hat er nun immer in der Erde herumgewühlt und so viel Lärmen und Spektakel gemacht, daß man es auf den darüber liegenden und benachbarten Straßen gehört hat.[679] Endlich hat er es so weit gebracht, daß die Kirche und der Thurm durch sein furchtbares Wühlen eingestürzt sind. Seitdem ist er nun aber aus der Erde befreit und spukt jetzt auf den Straßen herum. Er geht über die Süntilger Straße, durch die Lütke Stiege die Königsstraße herunter, auf den Roumborg darf er aber nicht wieder kommen, bis an Hellwegs Bögesken, wenigstens dreht er, wenn er so weit gekommen ist, allemal wieder um. Er setzt aber die Füße niemals auf die Erde, wie ein anderer Mensch, sondern er geht immer ohngefähr eine Elle hoch über der Erde in der Luft herum. Die Leute aber versichern, das komme daher, daß die Teufel nicht wollen, daß er jetzt die Erde betritt, weil er bei seinen Lebzeiten niemals aus Hochmuth zu Fuß gehen, sondern immer in der Kutsche fahren wollte.

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S. Münsterische Geschichten S. 172.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 679-680.
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