819. Der Grinken-Schmied.939

[772] Drei Stunden von der Stadt Münster liegt der Detterberg, auf dem wohnte vor alten Zeiten ein wilder Mann, den hießen die Leute Grinkenschmied. Er wohnte in einem tiefen Erdloche, das ganz mit Gras und Sträuchern überwachsen war und das, wer es nicht wußte und kannte, Niemand auffinden konnte. In dem Loche hatte er seine Schmiede und arbeitete treffliche und rare Sachen, die waren von ewiger Dauer und seine Schlösser vermochte Niemand ohne seine eigenen Schlüssel zu öffnen. An der Kirchthüre zu Nienburg soll auch ein Schloß von ihm sein, das hatte die Eigenschaft, daß es die Diebe, die es erbrechen wollten, gleich festnahm und gefangen hielt. Wenn nun in der Nachbarschaft eine Hochzeit war, so kamen die Bauern zum Grinkenschmied und liehen von ihm einen Bratspieß, dafür mußten sie ihm dann einen Braten geben. Da kam denn einmal auch so ein Bauer vor das Loch und sprach: »Grinkenschmied, gieb mir 'n Spieß!« Der Grinkenschmied rief dagegen, weil er dem Bauer nicht trauen mochte: »Kriegst keinen Spieß, gieb mir erst den Braten!« – »Kriegst keinen Braten, behalte Deinen Spieß!« rief der Bauer wieder hinunter. Darüber ward der Grinkenschmied gar zornig in seinem Loche und schrie dem Bauer nach: »Wahre Dich, daß ich mir keinen Braten nehme!« Der Bauer aber ging ganz ruhig nach Hause, aber als er dorthin kam, scholl ihm großes Wehklagen entgegen, denn sein bestes Pferd lag todt im Stalle und eins seiner Hinterbeine war sammt dem Schenkel ausgelöst, als hätte es ein Wildpretsmetzger kunstgerecht gemacht und war hinweg. Das war Grinkenschmieds Braten.

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S. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 244.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 772.
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