755. Kloster Inzigkofen.

[675] (S. Schönhuth a.a.O. Bd. V. S. 448 etc.)


Ueber dem Bergkamm des linken Donauufers, fast mitten zwischen der Ruine Dietfurt und der Stadt Sigmaringen liegt umgeben von herrlichen Gartenanlagen das ehemalige, erst im Jahre 1856 aufgehobene Kloster Inzigkofen. Dasselbe war dadurch gegründet, daß im Jahre 1254 zwei fromme Mägdlein, Mechtild und Irmgard, aus dem Geschlechte der Söner zu Sigmaringen, um ihre Jungfrauschaft zu bewahren, zuerst ein kleines Häuschen in der Nähe einer dem h. Mauritius geweihten Kapelle erbauen ließen und sich hier in ungestörter Andacht Gottes Dienste weiheten. Nach wenigen Jahrzehnten vermehrte sich durch den Zutritt Gleichgesinnter diese kleine Versammlung frommer Frauen bis auf zwölf Personen. Da entschlossen sie sich, vom Geiste Gottes getrieben und weil das kleine Häuschen nicht groß genug für sie Alle war, ein förmliches Klösterlein zu gründen. Als sie nun dasselbe in das Thal hinab nach Laiz hin bauen wollten, haben Engel das Baumaterial, welches auf die Ebene, genannt Blaufels, bereits geschafft war, bei der Nacht mit vielen Lichtern auf die Stelle getragen, wo nunmehr das Kloster steht. Dieses Wunder wirkte aber so sehr auf das Gemüth des Grundherrn, des edlen Eckard von Reischach, daß er die ganze Hofstatt mit allem Zubehör den geistlichen Frauen (1391) schenkte. Späterhin ist aber hier eine Klosterfrau Namens Ursula gewesen, so ein uneheliches Kind eines gewissen Michael von Reischach war, die in hohen Ehren hier gehalten ward. Als nun aber ihr Vater im Jahre 1407 auf seinem Schlosse Gaienhofen verrätherisch ermordet worden war, hat sie täglich inbrünstig für das Heil seiner abgeschiedenen Seele gebetet; eines Tages aber ist lange nachher eine von Schienen, die einen aus dem Geschlechte der Mörder ihres Vaters zum Mann hatte, mit ihrem Kinde ins Kloster gekommen, Frau Ursula hat ohne es zu wissen dieses Kind geherzt und geküßt, und wie sie erfahren, daß es von dem Mörder ihres Vaters stamme, ist ihr dies so zu Herzen gegangen, daß ihr das Blut zu Mund und Nase herausschoß und sie sofort des Todes war.

Späterhin sollten einmal mehrere fromme Mädchen, welche Christi Bräute werden wollten, hier eingekleidet werden. Schon waren sie in die hohe Kirche[675] gezogen, schon tönten die frommen Weihegesänge der Schwestern, schon umhüllte sie der Ordensschleier, da ertönte auf einmal aus ihrer Mitte ein Jammergeschrei. Es kam von den Lippen eines Mädchens, das aus weiter Ferne von Graubündten hierher gekommen war. Sie hatte zufällig das in der Kirche aufgehängte Bild des h. Fidelis erblickt, da rief sie bebend aus: »Hier vermag ich nicht zu bleiben, wo ich den täglich anschauen muß, mit dessen Blute meine Familie sich einen schweren Fluch aufgeladen hat, denn einer seiner Mörder war mein Ahnherr!« Damit eilte sie zitternd aus der Kirche. Allein sie konnte von Herzensangst getrieben in keinem Raume des Klosters Ruhe finden, sie zog von dannen und suchte sich in der Nachbarschaft in einem andern Kloster eine Friedensstätte, wo sie ihrer Väter blutiges Verbrechen durch frommes Gebet zu versöhnen suchte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 675-676.
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