789. Der Teufelsweg auf Falkenstein.

[700] (S. Schreiber a.a.O. S. 4 etc. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 62 etc. Ruinen. Wien 1834 Bd. II. S. 157 etc.)


Hinter dem obstreichen Kronberg nicht weit vom Altkönig auf der sogenannten Höhe, vier Stunden von Frankfurt a.M., erhebt sich auf fast unzugänglichem Felsen die Ruine der alten Burg Falkenstein114, die Wiege eines ehemals im Taunus und der Wetterau gar mächtigen Geschlechtes, von dem einige Glieder sogar Bischöfe von Trier wurden. Die Burg war in alter Zeit fast unzugänglich, und nur ein einziger jäher und schmaler Fußpfad führte an das äußerste Thor derselben. Nun lebte hier dereinst ein rauher und wilder Ritter, der eine desto lieblichere Tochter besaß, welche durch ihre Sanftmuth und Herzensgüte gerade so in der ganzen Umgegend beliebt war, als ihr Vater wegen seiner unfreundlichen Gemüthsart allgemein verhaßt. Ein Ritter Kuno von Sayn hatte sich aber sterblich in die holde Irmgard verliebt und die Jungfrau erwiederte seine Gefühle. Er beschloß also, da er ihr an Stand und Vermögen gleich war, um ihre Hand zu werben und begab sich auch eines schönen Tags zu ihrem Vater und hielt in aller Form um sie an. Derselbe, der ihm überhaupt nicht gewogen war, empfing ihn sehr kalt, als er aber schließlich doch nicht umhin konnte, dem jungen Ritter eine Antwort zu geben, so stellte er sich mit ihm an eins der hohen Bogenfenster im Rittersaale des Schlosses, zeigte auf den schmalen, kaum für Fußgänger gangbaren Pfad, der von unten heraufführte und sprach: »Herr Kuno, Ihr sollt meine Tochter haben, jedoch nur unter einer Bedingung!« – »Und diese wäre?« antwortete dieser. »Nun Ihr sollt einen bequemen Weg in diesen Felsen hauen lassen, damit man künftig zu Roß auf meine Burg kommen kann. Allein dies muß in einer Nacht geschehen sein!« Kuno stutzte zwar, allein es blieb nichts übrig als die Bedingung anzunehmen und da er selbst ein Bergwerk besaß, so dachte er, seine Bergleute würden das verlangte Werk wohl fertig bekommen. Allein als er nach Hause zurückgekehrt mit seinem alten Obersteiger hierüber sprach, mußte er leider hören, daß dies unmöglich sei, selbst wenn er alle seine Bergleute zusammen dazu aufbieten wolle. Er sah also ein, daß ihn der Falkensteiner genarrt habe und daß dessen Bedingung eigentlich einer vollständig abschlägigen Antwort gleichkomme. Er ging demnach traurig wieder aus seinem Schachte heraus und setzte sich auf einen Stein, der am Eingange desselben lag, bekümmert nieder und sann nach, was er nun machen solle, um seine Irmgard doch noch zu gewinnen.[700] Auf einmal stand ein kleines altes Männchen mit weißem Haar und Bart vor ihm und sprach: »Ritter von Sayn, ich habe Alles gehört, was Du soeben mit Deinem Steiger gesprochen hast, es ist vollkommen richtig, daß Deine Leute gänzlich außer Stande sind, Dir zur Erfüllung jener Bedingung zu verhelfen, allein ich und meine Brüder, die Erdmännchen, welche hier in diesem Berge wohnen, können es und vermögen Dir in einer Stunde den Felsenweg auf die Burg Falkenstein zu machen. Indeß umsonst ist der Tod, Du mußt dafür ein Opfer bringen!« Der Ritter rief sogleich ohne sich zu besinnen, der Kleine solle nur fordern, er bewillige im Voraus Alles. Darauf sagte das Erdmännchen: »Lasse Deine St. Magarethengrube hier abhüten, denn wenn Deine Leute weiter durchfahren, so kommen sie in mein Gebiet, und ich muß mit den Meinigen den Berg verlassen. Du sollst aber dabei nicht verkürzt werden, das Gebirge dort zur Linken ist sehr reichhaltig, ich will Dir eine Ruthe geben, damit Du die Gänge finden magst. Sie streichen von Abend in den Morgen, wir Berggeister aber wohnen überall in die Mitternacht hinein!« Kuno gab ihm sein ritterliches Wort, daß er sein Begehren erfüllen wolle, und dafür versprach ihm das Erdmännchen auch die Erfüllung seines Begehrens bis zum andern Morgen. Indeß saß die arme Irmgard zu Hause in ihrem Kämmerlein und weinte bitterlich, denn ihr Vater hatte ihr zwar die Werbung des Ritters von Sayn mitgetheilt, ihr aber auch die unerfüllbare Bedingung gesagt, welche er demselben gestellt hatte. So kam die Mitternacht heran und noch dachte sie vor Sorgen nicht an Schlaf, da hörte sie auf einmal unten vom Fuße des Schloßberges lautes Geräusch, als wenn viele Leute in den Felsen hämmerten und Stücken desselben losbrächen. Sie hielt es natürlich für ein Spiel ihrer Phantasie, fürchtete sich aber auch das Fenster zu öffnen und hinauszusehen. Plötzlich trat aber ihr Vater ins Gemach, der von demselben Getöse aus dem Schlafe aufgeweckt worden war und sprach zu seiner Tochter: »Ich glaube der Ritter von Sayn ist närrisch geworden, und haut mir meinen Felsenpfad zu Schanden, so daß auch zu Fuße Niemand mehr heraufkommen können wird, geschweige denn zu Pferde.« Damit öffnete er ein Fenster um hinabzusehen, allein es erhob sich plötzlich ein heftiger Wirbelwind, der ihm das Fenster aus der Hand riß, so daß es klirrend zersprang und gern trat er von demselben ins Gemach zurück, denn er merkte wohl, daß draußen fremde unheimliche Mächte walteten, er dachte nämlich, es sei die wilde Jagd, welche an seiner Burg vorüberziehe.

Kaum aber graute der andere Morgen, da hielt der Ritter von Sayn auf seinem Schimmel vor der Zugbrücke der Burg Falkenstein und begehrte Einlaß und ehe noch dieselbe aufgezogen ward, eilte schon der Burgherr ans Fenster und sah, daß der bisher unzugängliche Pfad jetzt breit geebnet und ganz bequem von einem Reiter passirt werden könne. Kuno aber schaute von unten spöttisch herauf und bot ihm einen guten Morgen. Nach wenigen Augenblicken aber stand er oben im Rittersaal vor ihm und erinnerte ihn an sein gegebenes Versprechen. Natürlich stand derselbe auch keine Minute an, ihm die Hand seiner Irmgard zu geben, der Ritter von Sayn hielt aber den Erdgeistern ebenso gewissenhaft sein Versprechen, er ließ die Schachte, in denen er nach Silber gegraben hatte, zuwerfen und eingehen. Der Fußpfad aber, den die Erdgeister in den Felsen gehauen hatten,[701] heißt heute noch der Teufelsweg; er zieht unten an der westlichen Seite des Altkönigs, wo die Berggeister hausen, durch die Schärdter Höhle zur Bergeshöhe.

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Ueber ihre Geschichte etc. s. Gottschalks Ritterburgen Bd. IV. S. 191 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 700-702.
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