1081. Der Tod des Grafen Hermann von Wintzenburg.

[878] (S.J. Conrad Stephan Hölling, Einleitung zu einer Historie des Hochstifts Hildesheim. Hildesheim 1730 in 4°. S. 28 etc.)


Hermann Graf zu Wintzenburg, der Fünfte genannt, der im Jahre 1127 die ganze Grafschaft Wintzenburg erbte, war ein stolzer und hoffärtiger Mann, der, weil er ein naher Verwandter des Kaisers Lothar war, den Bischof von Hildesheim nicht mehr als Lehnsherrn anerkennen wollte, und als dieser verlangte, er solle seine Güter von ihm zu Lehn nehmen, seine Boten spöttisch abwies. Der Bischof wendete sich deshalb mit Beschwerde an den Kaiser und dieser sendete den Grafen Burchard von Lüchau an ihn, die Sache ins Gleiche zu bringen, allein da dieser ihn etwas scharf ansprach, verstand er unrecht und stach ihn nieder. Darüber ward der Kaiser sehr zornig und zog mit großer Heeresmacht vor Wintzenburg und eroberte es, und der Graf Hermann hätte ohne die Fürsprache seiner Verwandten, namentlich des Grafen von Oldenburg, sicherlich jenen Frevel mit dem Leben büßen müssen, allein der Kaiser begnadigte ihn und gab die Grafschaft Wintzenburg dem Stifte Hildesheim zu Lehn und Graf Hermann, der inzwischen die Hälfte vom Hause Homburg geerbt hatte, ward des Landes verwiesen und begab sich nach Dänemark zum König Erich, nach dessen Ermordung im Jahre 1140 er dessen Wittwe Frau Luthgardis, des Markgrafen Rudolf von Brandenburg Tochter ehelichte. Auf Fürbitten ihres Bruders Hartwig, des Erzbischofs von Bremen, brachte es indeß der Kaiser Conrad bei dem Bischof Bernhard von Hildesheim dahin, daß dieser 1150 dem Grafen Hermann die Herrschaft Wintzenburg zurückgab, doch mußte er dieselbe von ihm nunmehr förmlich zu Lehn nehmen. Es hatte aber Graf Hermann an seinem Hofe einen adeligen Mann zum Diener, der ein junges, sehr schönes und tugendhaftes Weib besaß, zu welcher Graf Wintzenburg eine heimliche und ungebührliche Liebe trug, er konnte aber seines Herzens böse Lust nicht vollbringen, weil der Hofmann stets zu Hause blieb. Darum hat ihn der Graf endlich mit einer vermeinten Botschaft an einen gewissen Ort abgeschickt, dann aber hat er sich in sein Haus verfügt und hat dessen Weib mit List und Gewalt[878] überfallen, genothzüchtigt und geschändet und also den ihm vom Teufel eingeblasenen Willen vollbracht, dann aber ist er wiederum seines Weges aufs Schloß gegangen. Das Weib ist aber über dieses sehr bestürzt gewesen, und weil sie sich einer so unadeligen That vom Grafen am allerwenigsten versehen, hat sie laut geschrieen und geweint, ihr Haar ausgerauft und gleichwohl solches ihr Herzeleid keinem Menschen offenbaren und klagen dürfen. Als aber ihr lieber Junker und Ehemann wieder zu Hause angelangt ist und sein Weib traurig und betrübt gefunden hat, hat sie ihm unter Thränen geklagt und berichtet, was ihr vom Grafen Hermann in seiner Abwesenheit widerfahren ist. Darüber ist ihr Mann wohl erschrocken, und wie leicht zu erachten, schwer von Zorn bewegt worden, doch hat er sein Weib mit guten Worten getröstet und wegen der angethanen Gewalt zur Geduld, und daß sie dies alles geheim zu halten und zu verschweigen hätte, ernstlich und wohlmeinend ermahnt.

Am folgenden Morgen, als dieser Hofmann aufs Schloß Wintzenburg gegangen war, als wolle er dem Grafen wegen der aufgetragenen Botschaft Antwort bringen, und auf den Saal gekommen ist, ist er als ein bestürzter Mann eine Weile auf und niedergegangen, und indem er wahrgenommen hat, daß die Kammer, in welcher der Graf mit Luthgardis, seiner Gemahlin, im Bette lag, offen gestanden, ist er ganz eifrig und erbost hineingetreten und hat mit seinem Schwerte den Grafen im Bette erstochen. Die Gräfin aber, die hochschwanger gegangen, hat ganz kläglich zu schreien angefangen, sich auch vieler verderblicher Worte hören und vernehmen lassen, und unter andern gesagt, das was sie unter ihrem Herzen trage, solle an ihm ihres Herrn Tod rächen, und Anderes mehr. Darauf hat aber der Hofmann die Gräfin auch erstochen, ist davon gegangen und hat die beiden im Bette und Blute liegen lassen. Nach einer alten Schrift hat dann dieser Hofmann aus des Grafen Schatz 6000 Pfund genommen, ist damit und seinem Weibe davon gezogen und hat sich in den mitternächtigen Ländern niedergelassen. Dies ist geschehen im Jahre des Herrn 1153.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 878-879.
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