1187. Die Nonne auf dem Schlosse zu Osterode.

[958] (S. Thüringen und der Harz Th. III. S. 16.)


In ein im Schlosse befindliches Kämmerchen ist der Geist einer Nonne gebannt, welche einst ein schweres Verbrechen begangen hatte und nun die Bewohner des Schlosses lange durch nächtliches Toben ängstigte, bis endlich ein Jesuit den Geist in ein Holzbild bannte, welches nun in jenes Kämmerchen eingeschlossen ward. Jahre vergingen und Niemand wagte dem unheimlichen Orte nahe zu kommen. In neuerer Zeit unterstand sich jedoch ein junger Mann, der von dem Spuk gehört hatte, die Thür desselben aufzubrechen, um das gespenstige Holzbild in Augenschein zu nehmen. Er fand Alles wie ihm[958] gesagt worden war. Ein unförmliches mit vielen wunderlichen Schnörkeln versehenes Bild lehnte in einem Winkel des kleinen Kämmerchens und er bemühte sich, es in sein Zimmer hinab zu tragen. Da er nicht vermögend war, es wegen seiner Schwere auch nur von der Stelle zu rücken, so eilte er hinweg und kehrte augenblicklich in Begleitung einiger Knechte nach dem Gemache zurück. Vergeblich aber spähete er nach dem Bilde. Es war auf unerklärliche Weise verschwunden und das Gesinde fürchtete schon der Spuk werde von Neuem beginnen, allein es hat sich nichts wieder sehen und hören lassen, und der Geist der Nonne muß endlich die ersehnte Ruhe gefunden haben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 958-959.
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