1193. Der Stein am Spölinger Wasser.

[966] (S. Letzner B. VIII. C. 7. B. IV. C. 14.)


In der Grafschaft Dassel ist ein Flüßchen, der Spöling genannt, der auf dem Solinger Walde entspringt. Nun ist im Jahre 1327 der Ritter Christian von Ellenhofen mit den Bürgern von Dassel wegen der Weide und Viehhut daselbst an der Ilme in einen bösen Streit verwickelt worden. Die Bürger zu Dassel ließen sich bedünken, daß sie hier ihr Vieh zu weiden Fug und Recht hätten, Herr Christian aber wollte auch nicht von seinem Vornehmen abstehen und schlug und jagte die Schäfer, wo er sie erreichen[966] konnte. Nun trug es sich aber einst zu, daß ein Schäferknecht von Dassel an dem streitigen Orte mit seinen Schafen auf der Weide war und sich mit seiner Sackpfeife nach Art und Gewohnheit der Schäfer erlustirte und hören ließ und nicht im Geringsten etwas Böses versah. Indessen kommt ganz unversehens Herr Christian von Ellenhofen mit seinem gespannten Bogen, in der Meinung, daß der Schäfer ihm trotze und mit seiner Pfeife spotte, auf die Weide, er drückt also grimmig und unbedachtsamer Weise auf den Schäfer los, also daß er getroffen, todt aufgehoben und in die Stadt Dassel gebracht und daselbst begraben worden ist. Es ist aber zum ewigen Gedächtniß an dem Orte, wo er umgekommen war, ein Stein, daran eine Sackpfeife war, gesetzt und aufgerichtet worden, der freilich später vom Volke zerschlagen worden ist. Sobald aber die Bürger von Dassel obiges erfahren, haben sie die Glocken geläutet und sind allesammt zu beiden Thoren herausgebrochen, haben ihm den Weg verlegt und denselben ganz nahe bei der Stadt am Spöling jämmerlich erschlagen. Er ward für todt aufgehoben und nach Fredelsheim ins Kloster gebracht und dort begraben. Seine Tochter Margarethe, die hier Nonne war, hat dafür gegen die Bürger den Bann ausgewirkt und die Dasseler Bürger haben, um denselben los zu werden, an dem Orte, wo der Ritter erschlagen worden war, einen Leichenstein und Gedenkzeichen aufrichten müssen, der lange Jahre gestanden hat.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 966-967.
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