1208. Die Dornenkrone.

[981] (S. Köster a.a.O. S. 226.)


In einigen Fugen der granitnen Kirchhofs-Mauer in Beverstedt wachsen wilde Rosenbüsche, die das Volk mit dem Namen Kronendornen belegt. Die fingerdicken Stämme derselben von dunkler grüner Farbe sind von unten bis oben mit sichelartigen starken Stacheln besetzt, und diese geben durch ihre schmutzige Blässe das Ansehen, als wären sie wie etwas Fremdes auf die Stämme genagelt. Die Blattstiele haben sieben Blätter, von denen das[981] größte vorn an der Spitze steht, und da an jeder Seite des Stieles drei Blätter sich befinden, welche sich gerade gegenüber stehen und die untersten kürzer und schmäler sind, so erhält das gefiederte Siebenblatt ein ganz besonderes Aussehn, aus dem die Phantasie leicht einen spitzen Spaten oder Speer bilden kann. Die Blattstiele sind unterhalb ebenfalls mit scharfen Haken versehen, nur nicht von der Größe wie diejenigen am Stamm. Die Blüthen, 5 blaßrothe Blättchen, hauchen einen lieblichen Geruch aus und wachsen zu dreien auf einem Stiel neben einander. Die Früchte ähneln denen von andern Hagebutten.

Die Sage meldet, daß die Dornenkrone, welche die Kriegsknechte flochten und auf des Erlösers Haupt setzten, von solchem Strauch gewesen, und führt zur evidenten Gewährleistung an, daß seit jener Zeit die Blätter desselben, wenn man sie zerreibt, den Duft des wohlriechenden Apfelobstes verbreiten, den sie vorher nicht hatten.

Dornen gehörten zu dem Fluche, womit der Herr den Acker Adams belegte; den Fluch hat Christi Dornenkrone hinweggenommen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 981-982.
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