1220. Ihlow.

[988] (Nach Sundermann S. 16 etc.)


Der Forst Ihlow ist uralt, aber vorher eine sumpfige, schilfbewachsene Wiese gewesen. Da nun Schilf dort zu Lande Ihlen heißt, so haben die dasigen Einwohner den ersten Mönch, der dort sich eine Einsiedlerhütte errichtete und darin wohnte, »den hilgen Mann upt Ihlstück« genannt. Davon heißt der Forst noch heute der Jhl. Mitten in diesem Forste liegt nun aber ein großer, ganz schwarz und trübe aussehender unergründlich tiefer Teich, dessen[988] Ränder von hohem Schilf eingefaßt sind und der von himmelhohen schwarzen Tannen umschattet wird. Von diesem wird aber folgende Geschichte erzählt. Es lebte vor alter Zeit in dem nahegelegenen Kloster ein junger Mönch aus adligem Blute, dieser hatte eine junge Prinzessin von Ostfriesland, die damals mit ihren Eltern in dem nahegelegenen fürstlichen Jagdschlosse wohnte, mehrmals im Klostergarten und in der sogenannten Foßkuhle getroffen. Aus dem bloßen Begegnen und Grüßen waren aber schließlich Unterredungen geworden und endlich hatten sich die beiden einander so lieb gewonnen, daß sie sich absichtlich trafen und längere Zusammenkünfte mit einander hielten. Indeß fiel dies bald auf und der Abt ließ deshalb dem jungen Mönche Buße auflegen und ihn in seine Zelle einsperren. Trotzdem aber wußte das junge Mädchen ihrem Geliebten Botschaft zukommen zu lassen, wie sie ihn des Abends am Schloßteich erwarte, derselbe fand auch Mittel durch ein Pförtchen, welches in den Busch führte, herauszukommen und eilte, obwohl es stockfinstere Nacht und ein furchtbarer Sturm war, zu dem sehnsüchtig harrenden Liebchen. Doch sie sollten nicht lange ihr Glück genießen, denn der teufelische Abt, welcher nachgeschlichen kam und selbst gern mit der schönen Prinzessin ein Liebesverhältniß angeknüpft hätte, stand plötzlich hinter ihnen und schreckte sie mit Hohngelächter aus einander und mit seinen nervigen Händen faßte er den sprachlos dastehenden Mönch und warf ihn weit hinab in den Teich, der wild davon aufschäumte. Am andern Morgen aber fand ein Jägerbursche am Teich den todten Körper der Prinzessin, der Abt aber war für immer verschwunden. Wenn es nun stürmisches Wetter ist, so geht kein Umwohner Ihlow's durch den Forst, denn laut höhnisch ruft eine Stimme gellend durch die Tannen: »Hab' ich Euch endlich? So will ich Dich denn weicher betten als in den Schooß der Jungfrau!« Und gespenstisch erhebt sich eine weiße Frau am Ufer händeringend und jammernd, bis endlich nur noch ein leises Wimmern ertönt.

An der Südwestseite des Forstes ist ein großer, jetzt bereits verwachsener Sumpf. In diesem zeigt sich in stürmischen Nächten ein großes Irrlicht, dies ist aber kein gewöhnliches Irrlicht, sondern ein Straf-Irrlicht Gottes. An dem Orte aber, wo das Licht erscheint, ist früher ein Teich und noch früher ein Hügel gewesen. Auf diesem Hügel stand eine Kapelle, bevor ein Kloster im Forste war, und zu dieser mußten alle Christen der Umgegend, natürlich also auch die jungen Mädchen ziehen um zu beten, denn es war kein anderes Gotteshaus in der Nähe. Der Kaplan aber war ein feister Pfaffe, dem die frischen Jungfrauen weit mehr in die Augen stachen als Meßgewand und Scapulier und er that Uebles an ihnen. Da geschah es, daß sein Sündenmaaß voll ward und daß sich der Boden öffnete und ihn mit sammt Hügel und Kapelle in einer schrecklichen Nacht verschlang. Seit jener Nacht schwebt er aber als Irrlicht über der Stelle.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 988-989.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band