910. Wie einer die Geister sehen kann.

[781] (S. Lotich S. 368.)


In Oberkalbach sagt man, zwar werde nicht ein Jeder die Gespenster gewahr, allein er vermöge es, wenn er dem, der es von Natur kann, über die rechte Schulter schaue. Von Natur aber vermögen es alle diejenigen, welche an einem Göllesonndig (goldenem Sonntag d.h. einem Sonntag im Quatember) geboren sind. Da ist einer in Vollmerz gewesen, der war an einem solchen Sonntag geboren, der konnte Gespenster sehen, man sah es ihm aber auch an, er guckte so sonderbar und schielte und hatte einen ganz unheimlichen Blick. Der ging einmal an dem Berge beim Hünkelhof, welcher der Galgenberg genannt wird. Da sah er plötzlich oben vom Berge herab einen Reiter kommen, auf einem Thiere, das wie ein Trampelthier aussah und keinen Kopf hatte. »Siehst Du den da droben?« rief der erschrockene Bursche seinen Gefährten an, der Michel hieß, »Michel, laß uns fortlaufen! siehst Du ihn denn nicht?« Aber der Michel sah ihn nicht, erblickte ihn jedoch im Schatten seines Kameraden, so daß ihn ebenfalls zum Fortlaufen ein Grausen faßte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 781.
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