445. Die Soldaten im Burgwall.

[473] (S. Pröhle a.a.O. S. 102 nach Wolf a.a.O.)


Früher wohnten im Dorfe Schwierenz auf Jasmund Bauern; nun ist das Dorf verschwunden und es stehen nur noch einige Kathen dort. Eines Morgens vor Aufgang der Sonne wollte ein Bauer von dort Hafer nach Bergen zum Verkauf fahren, und als er in den Weg kam, der von Stubbenkammer nach Nipmerow führt, stand da ein Mann und fragte, ob er ihm nicht seinen Hafer verkaufen wolle. Der Bauer ging auf den Handel ein und mußte dem Fremden folgen. Der fuhr ihn, so dünkte es dem Bauer, den Weg nach dem »Borgwall« (Herthaburg); da es aber immer noch finster blieb, war nichts zu erkennen. So gelangten sie über Zugbrücken und durch Thore vor ein großes Gebäude, nach der Rechnung des Bauern mußte es im Burgwalle sein. Da wurden die Pferde abgeschirrt, der Hafer ward abgeladen und der Bauer ward von seinem Begleiter in einen Saal geführt. Dort sah er viele wie Soldaten bewaffnete Männer an langen Tischen sitzen, die hatten alle das Haupt auf den Arm gestützt und schliefen. Als er hereintrat, erwachten sie und fragten, was es Neues in der Welt gäbe. Er antwortete: »Nichts Neues!« und da schliefen sie weiter. Dann führte ihn der Mann in ein zweites Gemach. Da standen an Krippen viele Pferde. Und bei jedem Pferde stand ein gerüsteter Mann. Ueberall waren die gleichen Husaren, den einen Arm hatten sie auf den Rücken der Pferde gelehnt und schliefen ebenfalls. Als der Bauer hereintrat, wachten die Männer auf und thaten dieselbe Frage, was es draußen Neues gebe. Auf die wiederholte Antwort »nichts Neues« aber schliefen auch sie weiter. Nachdem der Mann ihn dann aus dem Gebäude geleitet, ihm das bedungene Geld für den Hafer gegeben, auch ihn und seine Pferde mit reichlicher Nahrung gesättigt hatte, fuhr der Bauer ab, und da er hinauskam, war es noch immer finster, als er aber die Stelle wieder erreichte, wo er am Morgen den Fremden angetroffen hatte, ging eben die Sonne unter.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 473.
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