485. Ritter Flemming.

[510] (Nach Temme S. 181. Poetisch bearbeitet von Freyberg S. 88 etc.)


Vor vielen hundert Jahren lebte auf der Insel Wollin ein tapferer Ritter Namens Flemming, der war mit seinem Lehnsherrn, dem Herzog Barnim von Pommern nach Palästina gezogen und hatte in seiner Burg nur seine Mutter Barbara nebst einigen Knechten zurückgelassen. Allein[510] die Edelfrau führte während seiner Abwesenheit ein ziemlich laxes Regiment, die Knechte machten, was sie wollten, und trieben sogar Wegelagerei. Einst lagen sie auch auf der Lauer, da kam ein Pilgersmann daher, der ganz erschöpft einherschlich. Die Bösewichter glaubten, er trage viel Geld bei sich und dies sei der Grund seiner Langsamkeit, sie fielen also über ihn her und ermordeten ihn, fanden aber nichts bei ihm als einen goldenen Ring, den er am Finger trug. Den zogen sie ihm ab und da er ein Wappen hatte, zeigten sie ihn am andern Morgen ihrer Edelfrau, ob sie vielleicht das Wappen kenne. Allein wie erschrak diese, es war der Ring ihres Sohnes und das Wappen das ihrige. Natürlich drang sie nun darauf, daß ihr die Knechte gestehen mußten, wo er her sei, und als sie erfuhr, daß sie ihren Sohn erschlagen, da machte sie sich die bittersten Vorwürfe, daß sie nicht bessere Aufsicht über ihre Leute geführt hatte, lief aus der Burg heraus und stürzte sich in einen in der Nähe befindlichen Sumpf. Die Stelle aber, wo sie hineinsprang, heißt jetzt, nachdem der Sumpf ausgetrocknet ist, nach ihr die Barbarawiese und der Ort, wo der Ritter ermordet worden ist, hat seinen Namen Freudenberg, den er davon hatte, daß die heidnischen Pommern hier eine Opferstätte gehabt hatten, in Trauerberg verwandelt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 510-511.
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