220. Das Schnitzwerk zu Herrn-Motschelmitz.

[257] (S. Gottschalk, Ritterburgen Bd. IX. S. 174 etc.)


Die Herrn von Schweinichen sind stets arge Trinker gewesen, so führte Adam von Schweinichen (um 1640) deshalb den Beinamen des »alen Säuhäusels«, allein einer der schlimmsten war der Stammvater der noch gegenwärtig blühenden Linie von Schweinichen zu Töpelwude, Georg Wilhelm von Schweinitz, der sich zu Anfange des 18. Jhdts. zu Herrn-Motschelmitz, seinem mütterlichen Erbgute, aufhielt. Man zeigt über dem Stallgebäude daselbst noch jetzt ein Schnitzwerk, welches er zum Andenken einer durch seine seltene Trunkfertigkeit gewonnenen Wette hier anbringen ließ. Dasselbe stellt den Hof zu Herrn-Motschelmitz vor, eine sechsspännige Equipage hält im Hintergrunde, seitwärts aber schreitet ein elegant gekleideter Herr chapeau bas mit Stock und Degen eilig zum Hofthor hinaus, gefolgt[257] von einem andern gewaltig großen Manne im gestickten Kleide, der einen Pferde-Eimer trägt. Dieses Bild hat aber folgende Bedeutung.

Es soll einst Herr George Wilhelm von Schweinitz mit vielen Gästen bei Tafel gesessen haben, und nachdem schon an die vier Stunden lang weidlich gezecht worden war, von einem der Anwesenden, einem prahlerischen Polen, der sich vermessen, jeden Deutschen, wie man zu sagen pflegt, von der Bank oder wohl gar unter den Tisch zu trinken, in ziemlich beleidigenden Worten zu einem Wett-Trunke aufgefordert worden sein. Schweinichen setzte dem Polen 1000 Dukaten gegen seine Equipage und trank ihm zwanzig Flaschen Ungarweins vor, welches ihm dieser, eine nach der andern auf einen Zug leerend, mit vielem Gleichmuth nachthat. Hierauf ließ der Hausherr einen Pferdeeimer holen, füllte ihn bis zum Rande mit altem Rheinwein und goß denselben unbegreiflicher Weise ohne Pause und bis auf den letzten Tropfen in den Magen hinunter. Ja, noch mehr, er erhob sich völlig nüchtern, näherte sich mit festem Schritte seinem Gegner und bot demselben mit zierlichen Worten den aufs Neue gefüllten Eimer an. Dieser jedoch wich ihm erbleichend aus und wanderte, sich bekreuzend, ohne langes Valet zum Schlosse und zum Hofe hinaus, dem lächelnden Sieger, der ihm mit dem Eimer im Arm bis zum Thore nachfolgte, die schöne, mit sechs prächtigen Schimmeln bespannte Carosse als wohl verdienten Kampfpreis zurücklassend.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 257-258.
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