249. Der glückliche Schatzgräber.

[272] (S. Histor. Schauplatz merkwürd. Geschichten. Hannover 1747 S. 286 etc.)


Ein gewisser Schlesischer Abenteurer, Heinrich Wentzel genannt, dessen Vater Rittmeister gewesen war und in der Gegend von Breslau ein Gut besaß, hatte sich endlich eine ganze Gesellschaft damals sogenannter Krippenreuter d.h. solcher Edelleute, welche gleichsam davon Profession machten, daß sie herumritten und andere ihres Gleichen beschmausten, vom Halse geschafft, nachdem er mit dem von seinem Vater ererbten Vermögen fast ganz fertig geworden war. Gleichwohl brauchte er nothwendig Geld, denn das kleine ihm von seinem Vater hinterlassene Gut war so defect in seinen Baulichkeiten, daß er es aufbauen mußte, sollte ihm das Haus nicht über dem Kopfe einfallen. Er ging nun mit sich zu Rathe, ob er sich durch eine Heirath helfen könne oder wieder in den Krieg ziehen solle, denn er hatte schon einige Feldzüge als Glückssoldat mitgemacht. In diesem Kampfe der Gedanken warf er sich eines Abends gegen Mitternacht aufs Bett und ließ auf dem Tische eine Nachtlampe brennen, neben welcher etwas von alten Briefschaften und Rechnungen lag. Als er eingeschlummert war, überfiel ihn eine Angst wie einen, den der Alp drückt. Dies war ihm nichts Ungewöhnliches, er winselte und zitterte, ward ihn jedoch wieder los und kam mit dem ersten Schrecken davon. Er stand hierauf auf, verriegelte seine Stube, sah nach Degen und Pistolen, ließ die Lampe weiter brennen und legte sich nieder. Nach vieler Abmattung schlief er auf der linken Seite ein und es träumte ihn, als käme nach dreimaligem Anklopfen sein verstorbener Vater in die verriegelte Stube, setzte sich bei dem Tische zur Lampe,[272] durchschaute die Rechnungen, nahm hernach solche in die linke, das Licht in die rechte Hand, geht zu des Sohnes Bette und ruft dreimal kläglich: »Weh, Weh, Weh!« nach welchem er verschwand und unser Junker erwachte. Er lag in vollem Schweiße, traute seinen Augen nicht recht und verspürte doch innerliche Abneigung aufzustehen, ehe der Tag völlig angebrochen war. Die Frau Verwalterin kam, brachte ihm ein Warmbier sammt Butterschnitte und Raute zum Frühstück, fand ihn aber so perplex, daß sie nach der Ursache fragte, die er ihr auch erzählte. Mittlerweile reiste der Herr Hofprediger, so ehemals sein Beichtvater gewesen, bei ihm durch, sprach zum Morgengruß ein und erkundigte sich nach seinem Befinden. Danach hat er ihm wegen seines unordentlichen Lebens das Gewissen geschärft, jener ihm aber seinen Traum erzählt und hat sich fortbegeben, Wentzel aber hat sich mit seinem Verwalter darüber berathschlagt, was wohl das Weh bedeuten möge. Die geistliche Auslegung, welche obgedachter Hofprediger darüber gemacht hatte, ließen sie fahren, weil damit das Gut nicht aufgebaut ward. Daß aber bei den alten Rechnungen Weh gerufen worden, blieb unergründlich und damit strichen etliche Tage hin. Inzwischen ließ der Verwalter zu einem Stalle den Boden räumen und fand beim Grundgraben an einer Ecke, da wo an der Wand ein W eingekratzt war, etliche in einander gesetzte Töpfe, in deren innerstem Gold verborgen lag. Er stritt innerlich mit sich, ob er es dem Junker offenbaren oder für sich behalten solle, als dieser ganz unvermuthet dazu kam und Alles in Augenschein nahm. Die Freude darüber war sehr groß und man kam auf den Gedanken W sei der Schlüssel, wo seine väterlichen Schätze vergraben lägen, und es müsse ein guter Geist gewesen sein, der ihm dies mit seiner hieroglyphischen Stimme kund gegeben habe. Man durchkroch deshalb alle Winkel, ob irgendwo ein W angemalt, übergeschnitten oder eingekratzt zu finden sei. Man fand denn auch im Garten an der Planke, hinter der Scheune bei einem Nußbaume und in einer hohlen Grenzeiche unterschiedliche Deposita, die der alte Rittmeister unfehlbar dorthin gesteckt und mit einem W als dem Anfangsbuchstaben seines Namens Wentzel angemerkt hatte. Man machte hiervon kein lautes Geschrei, ließ um allen Verdacht abzuwenden den vorgehabten großen Bau unterbleiben, richtete das alte Hauswesen nothdürftig wieder ein und wanderte mit der Baarschaft an einen sichern Ort, wo sie unterdessen stille bleiben könnten, bis das Geld anderweit an ein größeres Gut angelegt würde. Der Verwalter bekam hiervon einen solchen Antheil, daß er schweigen konnte, ja der Herr verkaufte ihm endlich das Gut selbst, um sich in einem andern Fürstenthum niederzulassen. Da dann derselbe unfehlbar noch mehr gefunden haben mag, indem er einen Zigeuner von der Polnischen Grenze, der schwarze Georg genannt, oftmals bei sich beherbergte, und dann das schlechte Vorwerk in einen solchen Stand brachte, daß es dem besten Rittersitz in selbiger Gegend gleich kam.

Derselbe Heinrich Wentzel hatte aber ein anderes Mal noch eine ähnliche Geistererscheinung. Er befahl, als er im Felde auf dem Marsche war, seinem Fourier, ihn um eine bestimmte Zeit Morgens aufzuwecken und Licht mitzubringen, weil er wegen großer Ermüdung glaubte, die bestimmte Zeit zu verschlafen. Gegen Morgen hörte er eine Stimme, die ihm seiner Meinung nach zurief: »Steh auf, es ist Zeit.« Er erwachte davon, weil er aber[273] Niemand sah und Alles um ihn herum finster war, schlummerte er wieder ein. Da rief die Stimme zum andern Male: »Stehe auf, es ist Zeit!« Als er aber abermals nichts sah noch hörte, schlummerte er auch wieder ein. Endlich ruft es zum dritten Male: »Ich sage, stehe auf, es ist hohe Zeit!« Darauf sagte er: »Woran soll ich das wissen, daß es hohe Zeit ist?« und bekam die Antwort: »Daran!« und in dem Augenblicke legte dasjenige, was die verborgene Stimme geführt, ihm etwas in die Hand, welche er gleich zudrückte. Er wurde aber darüber, daß er etwas Kaltes in der Hand fühlte, ganz munter und indem trat sein Fourier mit einem Lichte ins Gemach, der mußte gleich zu ihm ans Bett kommen, leuchten, und da fand es sich, daß es ein alter Böneburgischer dreifacher Speciesthaler gewesen war, den er nachgehens beständig an einem goldnen Kettchen auf der nackten Brust zu tragen pflegte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 272-274.
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