266. Die Tanzwüthigen zu Reichenbach.

[285] (S. Bechstein S. 543.)


In der Mitte des 16. Jhdts. lebte ein Mann, Namens Vierscherig, zu Reichenbach, der hatte fünf Kinder, von denen das älteste, ein Mädchen, Barbara mit Namen, 13 Jahre alt, ein Knäblein 9 und ein Mägdlein 7 Jahre alt war. Diese wurden am Palmsonntag 1551 alle sammt und sonders von der Tanzwuth erfaßt, begannen wunderlich und seltsam zu tanzen und zu springen, wie noch Niemand gehört noch gesehen, und in unbegreiflicher Weise, und tanzten Tag und Nacht sieben bis acht Stunden in die Quere und die Länge hin und her, in alle Winkel, aus der Stube in das Haus und aus dem Hause in die Stube immer springend und drehend, daß sie grausam müde wurden, schnaubten und keuchten, so daß es Niemand verwundert hätte, wenn sie auf der Stelle todt niedergefallen wären, und wenn sie vor Ermattung nicht mehr stehen konnten, drehten und wirrten sie mit den Köpfen an der Erde, als wenn sie auf derselben tanzen wollten, endlich haben sie eine Zeit lang geschlafen und gelegen wie für todt. Wenn sie wieder erwachten, heischten sie bisweilen etwas zu essen, dann begannen sie wieder zu hüpfen und zu springen und zu tanzen, Tag und Nacht, wie sie es ankam, redeten wenig und lachten unterweilen alle zugleich. Ein Pfarrer wollte ihnen von der Sucht helfen mit geistlichem Zuspruch und nahm sie neun Tage zu sich in das Haus, es war aber vergebens.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 285.
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