1261. Die tapfere Frau von Pogwisch.

[1033] (S. Angelus a.a.O. S. 91.)


Im Jahre 1322 hat es sich zugetragen, daß Graf Gerhard zu Holstein einen großen Heereszug zusammenbrachte und damit nach Dithmarschen zog, in der Meinung, dieses stolze Volk zu überfallen und unter seine Macht und Gewalt zu bringen. Aber es ist anders gekommen und die Holsteiner haben an die 2000 Mann verloren. Da ist aber ein großes Trauern in ganz Holstein gegangen, also daß etliche Edelweiber ihre Männer, etliche ihre Kinder, die damals jämmerlich erschlagen wurden, beklagten und beweinten. So ist[1033] denn auch ein Knabe zu einer holsteinischen Edelfrau, der Ehefrau eines von Pogwisch gekommen und hat gesagt: »Ach, liebe Frau, seid getrost, es sind zwar Euere acht Kinder in der Schlacht umgekommen, aber Euer Mann ist noch am Leben.« – »Was?« hat sie gesagt, »haben mein Landesherr und meine Kinder und Verwandten um ihres Vaterlandes halben so freudig gestritten, daß sie dabei ihr Leben verloren und mein Mann ist allein entronnen, daß er am Leben bleibe? Ist ihm denn sein Vaterland nicht ebenso am Herzen gelegen gewesen als den Andern? Das sei ferne; ich begehre keinen solchen Mann, will auch nie wieder an seine Seite kommen!« Darauf ist aber der Knabe der Frau in die Rede gefallen und hat gesagt, daß ihr Ehemann zwar noch am Leben sei, aber doch so schwer verwundet, daß er kaum mit dem Leben davonkommen werde. Da das Weib solches gehört, hat sie wieder Muth gefaßt, ihre Hände zusammengeschlagen und sich als ein glückliches Weib gepriesen, daß sie solche Kinder gezeugt und einen solchen Mann bekommen habe, die sich ihres Vaterlandes halben in die äußerste Gefahr ihres Leibes und Lebens zu begeben keinen Anstand genommen hätten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1033-1034.
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