1335. Hexen als Wellen.

[1075] (S. Smidt, Schleswig-Holstein Bd. II. S. 135 etc. Kürzer bei Müllenhoff S. 224.)


Auf der Insel Sylt waren einmal drei lustige Gesellen, schmuckes Seevolk, das den Sommer über zu Schiffe ging, das leicht Erworbene noch leichter durchbrachte und sich dann auf die faule Bärenhaut legte. Einst lagen sie auch darauf, da sagte einer, es sei dies ein gar zu langweiliges Leben, sie wollten heirathen, er habe ihnen schon etwas ausgesucht. Seine Wahl war aber auf drei Schwestern gefallen, die auf einem weitläufigen Gehöfte wohnten, aber grundhäßlich waren, dafür jedoch sehr viel Geld hatten. Eigentlich waren es drei ausgemachte Hexen, und obgleich ihnen die Insulaner gleich so weit aus dem Wege gingen, als die Insel breit war, so fingen sie doch mit Jedem Streit an und spielten ihm allen möglichen Schabernack an Haus und Vieh. Absonderlich ließen sie ihre Wuth an einem schmucken[1075] Knaben aus, der hieß Yark und war von ihnen an Kindesstatt angenommen, das heißt, sie quälten ihn von früh Morgens bis spät Abends, ließen ihn hungern und machten ihm das Haus zur Hölle. Er hatte schon oft davonlaufen wollen, weil aber die alten Hexen es ihm angethan hatten, konnte er nicht ohne ihre Bewilligung vom Hofe herunter. Zu diesen drei Schwestern begaben sich die drei Matrosen, und es dauerte nicht lange, so waren sie Mann und Frau. Als sie aus der Kirche kamen, sagten sie: »Wir sind nun den Hexen verfallen, aber den armen Jungen, den Yark, wollen wir von seiner Qual befreien!« Sie baten also ihre Frauen, sie möchten ihnen den Yark zum Schiffsjungen geben, dieselben sagten ja! und als der Junge frei und leicht vom Hofe nach dem Strande lief, rief er: »Das will ich Euch niemals vergessen!«

Die Matrosen ließen nun aber ihre Weiber bald links liegen, sie kümmerten sich nicht so viel um sie, sondern bauten sich ein stattliches Schiff und fuhren damit nach fremden Ländern, wo sie sich natürlich mit anderen Frauenzimmern belustigten. Freilich blieb dies ihren eigenen Weibern nicht verborgen, als diese aber sichere Beweise von der Untreue ihrer Männer hatten, da wurden sie ganz und gar zu Hexen und schwuren, die Bösewichter eines jämmerlichen Todes sterben lassen zu wollen. Sie hielten auch sogleich einen Rath, wie sie dies am Besten bewerkstelligen konnten. Allein ein Lauscher war in der Nähe geblieben, Yark hatte sich ganz nahe bei ihnen versteckt, und als sie auseinander gingen, kroch er aus seinem Verstecke heraus und lief spornstreichs nach Niblum, wo sein alter Oheim wohnte, der früher als Dragoner gedient hatte, und jetzt als Invalide seinen Gnadenthaler verzehrte. Das war aber ein Prahlhans ersten Ranges, und als Yark ihn fragte, ob er im Kriege viele Menschen umgebracht habe, versicherte er, dieselben wären nicht zu zählen. Erst als sein Neffe sagte, er brauche einen Degen, der nie Blut gesehen, für denselben wolle er monatlich einen Thaler Leihgeld zahlen, gestand er die Wahrheit und gab zu, daß der seine allerdings diese Eigenschaft besitze. Yark nahm nun den Degen und ging damit nach dem Schiffe, was eben absegeln wollte, und wo ihm wegen seines langen Ausbleibens eben nicht der freundlichste Empfang zu Theil ward. Er ließ sich das aber nicht beirren, und die drei Seeleute hatten auch keine Zeit, sich mit ihm lange zu beschäftigen, denn sie sahen ihre drei Weiber im Sturmschritt daher kommen und ihre Arme drohend nach ihnen ausstrecken. Sie machten also, daß sie vom Anker fort und nach Hamburg kamen. Hier lebten sie in Saus und Braus, bis der letzte Schilling vertrunken war, dann stachen sie wieder in die See, allein es war finstere Nacht, als sie sich der Insel Sylt näherten. Dazu war es ein Wetter geworden, als ob Himmel und Erde untergehen sollten und Jedermann auf dem Schiffe dachte, dies wäre ihr Letztes, nur der Schiffsjunge Yark hatte sich fest an die Ankerspille geklammert und schaute, den gezogenen Degen seines Oheims in der Hand haltend, ruhig in die aufgeregte See hinaus. Da stieg eine Welle mit schneeweißem Schaume bedeckt aus der Tiefe empor und lief gerade auf das Schiff zu. »Wir sind verloren«, schrieen die Matrosen, allein Yark stieß darnach mit seinem Degen und sogleich fiel die Welle in sich zusammen. Auch schien es, als wenn es weniger stürme denn vorher. Gleich darauf rollte eine zweite heran, noch höher und schäumender als die erste, die Matrosen erhoben wieder ein Zetergeschrei, allein Yark stach wieder darnach, sie verschwand und es ward noch ruhiger als vorher. Laut jubelten die[1076] Matrosen, aber siehe, eine dritte Welle, noch gefährlicher und tobender als die beiden ersten, hob sich aus der Tiefe und die erschrockenen Kerle fielen auf ihre Kniee. Yark aber machte sich nichts daraus, er stieß mit seinem Degen lachend nach der Welle, und im Nu war auch diese verschwunden, der Sturm ward ganz und gar beschwichtigt, es ward heller Tag und die See lag da wie ein klarer Spiegel. Als nun aber die Matrosen nicht begriffen was dies zu bedeuten habe, da sagte ihnen der Schiffsjunge, »er habe die Hexen behorcht und gehört, daß sie sie bei ihrer Rückkehr zu ersäufen gedächten, nachdem sie sich in Wellen verwandelt hätten, Niemand könne ihnen etwas anhaben außer mit einem Degen, der niemals Blut gesehen. Da sei er zu seinem Onkel gelaufen und habe sich für einen Thaler dessen Degen geborgt und mit diesem auch die drei Weiber umgebracht, ihr Blut schwimme dort auf dem Wasser.« Die Matrosen wollten's nicht glauben, als sie aber nach Hause kamen, fand Jeder sein Weib todt im Bette.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1075-1077.
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