501. Wie die alten Preußen die Schlangen verehrt haben.

[528] (S. Hartknoch a.a.O. S. 171.)


Bei den alten Preußen pflegten sich Schlangen unter den Oefen oder andern verborgenen Oertern im Hause aufzuhalten. Zu einer gewissen Zeit des Jahres brachte nun der Priester durch verschiedene abergläubische Gebete diese Schlangen aus ihren Löchern. Wenn sie herausgekrochen waren, so schlichen sie auf einem weißen saubern Tüchlein auf den Tisch. Daselbst fanden sie allerlei Speise, die ihnen der Wirth aufgesetzt hatte. Dieselbe[528] kosteten sie alle und gingen wiederum ebenso denselben Weg zurück nach ihren Löchern. Wenn sie sich nun wiederum darin verkrochen hatten, kam der Wirth mit seinem ganzen Hause und machte sich an den Gerichten, so die Schlangen berührt, lustig, in der gewissen Hoffnung lebend, daß ihm auch das nächste Jahr Alles glücklich von Statten gehen werde. Im entgegengesetzten Falle aber, wenn die Schlangen auf die Gebete der Priester nicht hervorkamen, oder, wenn sie auch kamen, die aufgesetzten Speisen nicht berührten, bildeten sie sich nichts anderes ein, als daß sie das künftige Jahr viel Ungemach ausstehen müßten. Diejenigen Schlangen aber, welche in den hohen Eichen auf dem Felde oder in den Wäldern verehrt wurden, haben die Weiber auf diese Weise gehalten. Sie pflegten zu gewissen Zeiten zu den Eichen zu kommen, den Schlangen Milch vorzusetzen und sie zu bitten, sie sollten ihren Männern Kraft geben, daß sie von ihnen schwanger würden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 528-529.
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