575. Slomspetters.

[562] (Nach Langkusch a.a.O. S. 77.)


Am Algawischker Teiche im Kreise Niederung konnte in alten Zeiten Niemand vorbeigehen, ohne mit Wasser und Schlamm bespritzt, ja auch oft mit lebenden Fischen beworfen zu werden. Man wußte aber nie, wer diesen Schabernack ausführte. Ein in der Nähe wohnender Wirth, der eines Tages auch vorbeiging und wie gewöhnlich mit Wasser begossen wurde, faßte sich endlich ein Herz und sprach: »Wer ist da?« »Ich«, antwortete es aus dem Teiche. »Wer bist Du?« »Der Wassermann!« »Wie heißt Du?« »Slomspetters!« »Nun Slomspetters, was sind das für Streiche, weswegen läßt[562] Du die Leute, die hier vorbeigehen, nicht in Ruhe?« »Aus langer Weile. Ladet mich zu Euern Gastereien ein, und ich halte Frieden!« »Das soll geschehen, aber Du mußt uns dann auch gehen lassen.« »Sicher, haltet Ihr nur Euer Wort!«

Des Wirths Abenteuer ward bald in der Gegend ruchbar und Jedermann war gespannt, den Wassermann kennen zu lernen. Nun wollte ein Nachbar einen Kindtaufschmaus geben und ging an den Teich. »Slomspetters!« rief er. »Ja!« »Morgen feiere ich Kindtaufe und lade Dich zu Gast!« »Schön, ich werde kommen!« Am andern Tage, nachdem die kirchliche Handlung vorüber war, in der Dämmerstunde trat ein etwas seemännisch, aber fein gekleideter, breitschultriger, brauner Mann mit einem großen Korbe voll lebender Fische am Arme ins Haus des Kindtaufsvaters. »Hier ist mein Pathengeschenk«, sagte er. Dann wandte er sich zu dem Säugling, sah ihn lange an, küßte ihn zärtlich auf die Stirne und sprach: »Jüngelchen ein Fischer sollst Du werden, wie wenige. Immer viel Fische, viel Fische im Netz!« Und nun ging er zu der übrigen Gesellschaft. Seine Späße waren zwar etwas derb, aber voll sprudelnder Laune, und wer nicht wußte, daß er der Wassermann Slomspetters war, hielt ihn ganz gewiß für einen lustigen Steuermann. Lange war in der ganzen Gegend keine so fidele Kindtaufe gewesen.

Viele Jahre hindurch hat nun Slomspetters bei allen Hochzeiten und Kindtaufen als der unvermeidliche Gast mit figurirt, hat nie ein Fest verdorben, und Niemanden seit jener Stunde mehr zum Besten gehabt, aber eines Tages, als er wieder eingeladen ward, antwortete er nicht, kam auch nicht zum Feste und seit diesem Tage ist alles Rufen nach ihm vergebens gewesen und obwohl der Algawischker Teich heute noch seine Wellen kräuselt, von Slomspetters hört man nichts mehr und gesehen hat ihn auch seit jenem Tage Niemand.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 562-563.
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