594. Die Sagen vom h. Adalbert.

[573] (Poetisch behandelt v. Ziehnert Bd. II. S. 206 etc. Weitläufig bei San Marte, Sagen aus Großpolen S. 249 etc. Voigt, Gesch. v. Preußen Bd. I. S. 346 etc. Hartknoch, Preußische Kirchenhist. S. 270.)


Adalbert oder Adelbert, eigentlich Woytach, aus der gräflichen Familie Libicenski in Böhmen, war Bischof zu Prag, predigte erst in Ungarn und Polen das Evangelium und ward dann Erzbischof von Gnesen. Von da aus machte er in Begleitung seines Freundes Gaudentius im Jahre 997 eine Bekehrungsreise in das damals noch ganz heidnische Preußenland. Er kam zuerst in das Kulmische Land und als er hier keine gute Aufnahme fand, begab er sich nach Pomesanien. Als er dabei über den Fluß Ossa setzte und nicht so viel hatte, das Fährgeld zu bezahlen, so gab ihm einer der[573] Schiffer mit dem Ruder einen schweren Schlag über den Kopf, daß er davon schwer erkrankte. Er konnte aber in Pomesanien nur wenig ausrichten und deshalb zog er zuerst nach Danzig, von da aber nach Samland. Als er hier in die Nähe der heutigen Stadt Fischhausen gelangte, legte er sich am Rande eines Waldes, einen Bogenschuß weit von seinen Begleitern nieder um etwas auszuruhen. Unglücklicher Weise war er aber ohne es zu wissen auf dem heiligen Felde Romove, dem Aufenthaltsorte der preußischen Götter, welches nur der Fuß ihrer geweihten Priester betreten durfte, und so bemerkte ihn bald einer der Priester. Dieser rief andere herbei, man riß ihn aus seinem Schlummer, fragte ihn was er hier wolle und als er seinen Namen und den Zweck seiner Reise ehrlich angegeben, da schleuderte ein gewisser Siggo ihm seinen Speer nach der Brust, durchbohrt stürzte er mit ausgebreiteten Armen in Form eines Kreuzes zu Boden, die wüthenden Priester warfen sich auf seinen Körper, durchstachen denselben mit zahlreichen Speerstichen und trennten endlich Haupt und Glieder desselben vom Rumpfe. Dies geschah am 23. April des Jahres 997. Die Begleiter Adalberts wurden gefangen und erst später für ein hohes Lösegeld freigegeben.

Ueber das was nun aber nach seinem Tode mit seinem Körper ward, giebt es verschiedene Sagen. Nach der einen blieb sein Leichnam zerstückelt liegen, als aber der Polenherzog Boleslaus denselben von den Preußen zurückverlangte, forderten diese eine ungeheure Geldsumme für denselben, d.h. soviel als das Gewicht des Leichnams gegen Gold wiegen würde. Der Herzog schickte nun auch sehr viel Gold und Kleinodien, als dieses aber auf die eine Wagschale gelegt ward, so wog es den Körper des h. Adalbert, der auf der andern lag, doch nicht auf, da legten die polnischen Gesandten auch all ihr Reisegeld noch darauf, ja selbst viele Preußen, welche er getauft hatte, kamen herbei und schleppten alles Gold herzu, was sie besaßen und legten es auf die Wage, allein immer noch wollte dieselbe nicht sinken, siehe da kam ein altes Mütterchen, die dem Christengott früh und spät mit Wohlthun und Beten das ganze Jahr gedient hatte, herbei, die brachte ihre letzten zwei Pfennige dar, damit auch sie ihren Beitrag zahle, und legte sie noch auf die volle Schale, kaum aber lagen dieselben oben auf, da schnellte die andere mit dem Leichnam in die Höhe und alles Gold, was der Herzog und die Gläubigen gegeben, ward wieder herausgenommen, denn für die zwei Pfennige bekamen sie die Leiche und führten sie in feierlicher Procession nach Gnesen.

Nach einer andern Erzählung ist jedoch, nachdem dem h. Adalbert das Haupt abgeschlagen worden war, der Körper von selbst aufgestanden, hat seinen Kopf in beide Hände genommen, ihn vor sich hergetragen und ist dann in die Kapelle gegangen, wo er sonst gewöhnlich Messe zu lesen pflegte. Unterwegs hat aber das Haupt in einem fort mit lauter und schöner Stimme allerlei geistliche Lieder gesungen. Von der Kapelle weg ist er nun von einem Orte zum andern gewandert, immer den singenden Kopf vor sich hertragend, bis er in die Gegend von Danzig gekommen ist, wo noch jetzt die Kirche des h. Adalbert steht. Hier sollen ihn die heidnischen Preußen gefunden und beschlossen haben ihn ihren Göttern zu opfern, der Polenkönig Boleslaus ihn aber gekauft haben.

Man erzählt die Sache auch noch anders. Es hätten am Tage nach seiner Ermordung die zerstückelten Gliedmaßen sich aus selbsteigener Kraft[574] wieder an einander gefügt, wären dann von unsichtbaren Händen aufgehoben, durch die Lüfte hinweggeführt und unweit Danzig, wo Adalbert bei seiner frühern Anwesenheit so liebreich aufgenommen worden war, auf einem Berge herabgesunken. Hier erbaute man ihm zu Ehren eine Kapelle, die bis heute noch an jedem 24. April ein Wallfahrtsort für viele Gläubige ist. Sein Leichnam befindet sich jedoch nicht mehr hier, sondern ist erst nach Gnesen und dann nach Prag gebracht worden, wo er sich noch befindet.

Eine vierte Sage berichtet, es hätten die heidnischen Preußen, nachdem sie den heiligen Apostel erschlagen, seinen Körper in unzählige Stücke zerhackt und diese am Ufer der Ostsee rings umher zerstreut. Da geschah es denn, daß ein Preuße von Adalberts Hand einen Finger, an dem ein Goldreif steckte, abhieb, diesen zu sich nahm, jenen aber ans Ufer warf. Hier fand ihn ein Sperber, der damit über's Meer flog und ihn hineinfallen ließ, wo ihn ein Hecht verschlang. Von der Zeit an gab der Fisch, wo er auch immer hinschwamm, einen zarten Lichtschimmer von sich. Diesen bemerkten die Fischer und trachteten darnach den Fisch zu fangen, was ihnen auch gelang. Sie schlachteten ihn und fanden in seinem Bauche den Finger ganz unversehrt. Da meinten die Fischer, welche Christen waren, daß er einem heiligen Manne gehört habe und gingen aus die Leiche desselben zu suchen. Bald fanden sie dieselbe auch, denn die zerstreuten Glieder hatten sich wunderbarer Weise von selbst zusammengefügt und nur der Finger fehlte. Diesen setzten die Fischer an die Hand und hier wuchs er schnell fest. Der Körper des Heiligen aber hatte, ehe ihn die Fischer fanden, bereits dreißig Tage gelegen und kein Vogel oder anderes Thier hatte ihn zu berühren gewagt, denn ein Adler hielt inzwischen Wache über ihn.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 573-575.
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