622. Der Name des Vorwerks Hülfe bei Konitz.

[594] (S. Ziehnert Bd. II. S. 158 etc. Temme S. 222.)


Der Lockmansee bei Konitz ist eine halbe Meile breit und gegen zwei Meilen lang und mit waldbedeckten Höhen umgeben. Auf einer kleinen Halbinsel am westlichen Ufer desselben lag in der Vorzeit ein befestigter Sattel- oder Lehnhof des deutschen Ordens, dessen Ueberreste man noch jetzt auf einem Hügel, der Burgwall genannt, erkennt. Jetzt findet man da ein Vorwerk,[594] welches den Namen Hülfe führt, und etwas nördlich davon liegt ein kleines Eiland, mit Namen der Lämmerwerder.

Auf diesem Werder befand sich früher, als die Burg noch stand, eine Kapelle dem h. Georg geweiht, und dabei eine Hütte, in welcher ein alter Knappe wohnte, dessen Geschäft war, in dieser Kapelle eine ewige Lampe zu unterhalten. In der ganzen Gegend war er wegen seiner klugen und weisen Aussprüche bekannt, die er Allen that, welche sich bei ihm Raths erholten und selbst der Orden soll ihn in wichtigen Angelegenheiten um seine Meinung gefragt haben. Dieses Ansehn aber, welches der schlichte Knappe erlangt hatte, erregte den Neid der Vornehmen und besonders die Rache dreier Ritter, die er oft wegen ihrer unsittlichen Lebensweise ernstlich getadelt hatte. Diese nahmen einen Nachen und fuhren von der Burg nach dem Eilande um den Wehrlosen heimlich zu überfallen. Aber der einsiedlerische Knappe gewahrte ihre Ankunft und sie ließen vor seinem Blicke wie gelähmt ihre Schwerter sinken und wollten zur Burg zurückfahren, aber der Nachen schlug um, die Ritter schrieen ängstlich um Hilfe, aber der See verschlang sie. Der Einsiedler, erzürnt über die ausgezogenen Meuchelmörder, schleuderte die vor dem Heiligenbilde brennende Lampe hinüber in die Burg und sie sank, von den Flammen verzehrt, in Trümmer. An deren Statt wurde später ein Vorwerk erbaut, das man, weil seit jener Zeit oft in den Fluthen des See's der Ruf: »Hilfe, Hilfe« ertönte, Hülfe nannte.

Man sagt auch, daß wenn man in der Nähe einer steinernen Treppe, von der man noch jetzt auf dem Burgwalde einige Stufen sieht, die Worte ausspricht: »Cäsum, Cäsum, thue Dich auf«, der unterste Stein sich in die Höhe hebt und man darunter einen Schatz erblickt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 594-595.
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