699. Die Seejungfer.

[636] (S. Reusch a.a.O. S. 26.)


Der Einwohner L. aus Rauschen sah als Knabe von neun Jahren, wie eine schöne Dame bei Georgswalde sich badete. Sie hatte sich gleichsam mit einem Beine auf einen Stein, der in der See lag, nachlässig gesetzt, wippte immer und ließ sich von den Wellen beschlagen. Sie hatte krauses, zottiges Haar, gerade wie ein schwarzer Pudel und striegelte es unaufhörlich. L. rief einen Knecht, der unfern auf den Seebergen pflügte. Auch dieser entsetzte sich über die Schönheit der Dame, besonders über ihre starke weiße Brust und rief ihr zu: »Willst uns wohl was thun?« Da schrie das Weib laut auf: »Ui!« und stürzte sich kopfüber in die See, so daß ihr Fischschwanz hoch aufschlug.

Auch auf dem Seegestade bei Warnicken hat man Seejungfern auf den großen Steinen, welche dort das Ufer in großen Massen bedecken und noch fern aus der See hervorragen, sitzen und das Haar striegeln gesehen. Ihre Erscheinung hat aber nichts Gutes zu bedeuten, denn das Fischerboot, von welchem sie gesehen werden, verunglückt in den nächsten drei Malen, daß es zur See geht.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 636.
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