717. Das Bernhardinerkloster in Bromberg.

[651] (S. San Marte, Groß-Polens Nationalsagen. Bromberg 1842 in 8°. S. 223 etc.)


Im Anfange des 15. Jhdts. lebte zu Bromberg ein frommer Schuster, Namens Mysto, dessen Erholung von seiner Arbeit darin bestand, in den Wäldern der Umgegend herumzustreichen und dort an vielen Oertern Kreuze aufzustellen. Am häufigsten besuchte er eine nahe bei der Stadt gelegene dichte sumpfige Wildniß, wo sich namentlich viele Vipern aufhielten. Hier behauptete er, pflege er Umgang mit Geistern, die ihm Wissenschaft von der[651] Zukunft gäben und sagte, daß gerade an diesem Orte in Kurzem der Heiland werde aufrichtig verehrt und der jetzt gemiedene und verachtete Ort hochgeehrt werden. Niemand glaubte ihm seine Weissagung, denn gerade dieser Ort war verrufen wegen den lichtscheuen unsittlichen und verbrecherischen Handlungen, die hier des Nachts begangen wurden. Gleichwohl ging seine Prophezeiung in Erfüllung, denn als die im Jahre 1425 nach Bromberg gekommenen Bernhardiner bei König Kasimir III. um Genehmigung zur Erbauung eines Klosters (1480) anhielten, ward ihnen gerade dieser Platz, wo zeither ein Theil des Schloßgartens war, vor der gedachten Stadt Bromberg bei der St. Aegidienkirche, gemeinhin Obora genannt, angewiesen und nach fünf Jahren waren die Klostergebäude fertig. Man sammelte eifrig im Lande umher Beiträge zu dem Bau des neu zu gründenden Klosters und ein Laienbruder, Urban, ein Zimmermann, reiste zu diesem Zwecke bis nach Preußen und wandte sich unter andern auch an einen sehr reichen Mann in Danzig. Aber der reiche Mann gab dem armen Laienbruder nicht nur nichts, sondern verhöhnte ihn auch arg und wies ihm lachend die Wege. Er starb aber noch an demselben Tage eines plötzlichen Todes zur Strafe für seinen Geiz und unchristlichen Spott.

Im Jahre 1485 war Pater Cherubin Guardian im Kloster, ein lockerer Lebemann, der nachmals im Städtchen Bentschen starb und mit dem Klostervermögen nicht besonders gut geschaltet hatte, weshalb er auch noch nach seinem Tode von den Schuldnern geängstigt ward, ungeachtet die Brüder für ihn die nöthigen Messen lasen. So mußte er einer Nonne Dorothea, genannt Krupna, in Posen erscheinen. Er nennt ihr den Namen des Wirths eines Kellers, dem er eine Weinschuld nicht bezahlt hatte, und giebt ihr auf, dieselbe für ihn zu berichtigen, mit dem Versprechen, ihr beim Eintritt in den Keller ein Zeichen zu geben. Als die Nonne in den Keller tritt, kommt es ihr vor, als ob ein Hund oder sonst etwas sie beim Fuße fasse. Sie beachtet dies nicht, bezahlt aber die Schuld. Einige Zeit nachher erscheint ihr Cherubin wiederum und verlangt, daß sie für ihn eine Leinwandrechnung bezahle. Sie entgegnet, ihm sei nicht zu trauen, da er ihr das versprochene Zeichen nicht gegeben habe. Er belehrt sie jedoch eines Bessern und sie thut, wie ihr geheißen, denn ehe sie noch ihre Absicht zu erkennen gegeben, fragte sie schon der Kaufmann, ob sie Cherubins Schuld berichtigen wolle. Endlich erschien ihr Cherubin zum dritten Male bei Nacht und begehrte, sie möge den Posener Bernhardiner-Guardian Stanislaw von Slupi und die übrigen Brüder in seinem Namen ersuchen, ihm seine Sünden zu vergeben und noch eine Messe für ihn zu lesen. Da befahl der Posener Guardian, damals Ordenscommissar von Großpolen, aller Orten für Cherubin Seelenmessen zu lesen. Dadurch ward endlich der Arme aus dem Fegefeuer erlöst und er in die ewige Seligkeit herübergeführt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 651-652.
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