Der Schatz zu Burghausen

[283] Der Herzog Jürg von Baiern lag auf der Todtenbahr',

Kein Fürstenhut lag höhnend auf seinem greisen Haar,

Kein Sohn hat segenflehend dem Kranken ins Aug' geblickt,

Kein treues Weib dem Todten die Wimpern zugedrückt.


Wem sollen nun die Lande die Huldigung erneun?

Wer wird sich zu Burghausen des Fürstenschatzes freun?

Horch, Schild und Schwerter rasseln! Ist das sein Todtensang?

Seht, erzgewappnete Schaaren! Ist's der Leidträger Drang?


Albrecht von Baiern faßte des Todten Fürstenhut:

»So war's wohl auch sein Wille! Wem stünd' er auch so gut?«

Rupprecht der junge Pfalzgraf stürmt gen Burghausen an:

»Und hab' ich nur den Pelz erst, – hol' ich den Hut auch dann.«


Doch König Maxens Herold, der rief den Streitern zu:

»Legt nieder eure Waffen! Stört nicht des Todten Ruh!

Nicht gab die Friedenssatzung zum Spielball ich dem Reich,

Drum ruf' ich vor den Thron euch zum friedlichen Vergleich!«
[283]

Zu Maxens Füßen senkte Albrecht den Fürstenhut:

»Vor euren Thron, mein Richter, leg' ich mein Recht und Gut.«

Doch Rupprecht zu Burghausen lacht in den Bart hinein:

»Laß doch die eitlen Schwänke, du armes Königlein!«


Im Schatze zu Burghausen steht gülden Schrein an Schrein,

Drin blitzen Goldgeschmeide und farbig Edelgestein,

Und rings aus lautrem Silber steht, gleichsam wie zur Wacht,

Der Chor der zwölf Apostel in riesenhafter Pracht.


»Willkommen, ihr edlen Herren!« sprach zu dem Chor Rupprecht,

»Doch däucht mir, eure Sendung erfüllt ihr ziemlich schlecht;

Der Herr gebot euch: Ziehet in alle Welt hinaus!

Ihr aber hütet seit Jahren gemächlich schon das Haus.


Drum will ich jetzt euch senden, treu eures Meisters Wort,

Zu pilgern und zu pred'gen hinaus nach Süd und Nord!«

Zum zweiten Märtyrtode, in flackernd Flammengebraus

Ließ er die Zwölfe werfen und prägte Münzen draus.


Er sandte dann die Blanken hinaus in alle Ferne,

Ei, wie sie kräftig pred'gen! Wie hört man sie so gerne!

Als sie an Kuffsteins Pforte nur leise pochten an,

Gleich hatte Pinzenauer sie gastlich aufgethan.


Der Veste goldne Schlüssel sandt' er Herrn Rupprecht dar:

»Mein Fürst, ihr seid mir wahrlich ein Schlösser wunderbar!«

Da sandt' auch starke Mannen Böheim, das Land der Kraft:

»Für dich schwirrt unser Degen und unsrer Lanzen Schaft!«


Da kam der Henneberger: »Mein Arm gehöre dir!«

Da nahn die Leuchtenberger: »Dir flattert unser Panier!«

Und wie zu Petri Zeiten in Zions heil'gen Schooß,

Von nah und fern wallfahrtet es jetzt in Rupprechts Schloß.
[284]

»Heran nun, Max und Albrecht, ihr Streiter kühn und gut:

Den warmen Pelz hat Rupprecht, nun holt er sich den Hut!«

Ei, trotz'ger Graf, ob sicher auch heut vor Maxens Macht,

Kommt doch ein andrer Feldherr, an den du nicht gedacht!


In allen Landen Sieger, blieb unbesiegt er noch,

Sein Schloß ein hölzern Häuschen, unüberwindlich doch,

Er blickt dich an, er küßt dich und du bist nimmer roth;

Der Feldherr, der dich fällte, der Feldherr heißt der Tod!


Wer ist an Rupprechts Sarge der Mann mit grauem Haar?

Man möchte meinen, er selber knie' an der eignen Bahr',

So grimm und trotzig blickt er und ballt die Faust mit Macht;

Nur scheint's, als hab' ihn Kummer gealtert über Nacht.


Das ist des Pfalzgrafs Vater. Jetzt sprang er auf und wand

Das Schwert dem todten Sohne rasch aus der kalten Hand:

»Ach! nimmer deine Wangen, dein Schwert doch färb' ich roth!

Auf, auf, mir nach, ihr Krieger, der Rupprecht ist nicht todt!«


Fußnoten

1 Herzog Albrecht von Bayern-München und Georg von Bayern-Landshut, zugenannt der Reiche wegen seines Schatzes, um dessentwillen man ihn für den reichsten Fürsten in Deutschland hielt, Vettern, hatten einen Vergleich getroffen, daß, wenn einer von beiden ohne männliche Erben stürbe, der andere dessen Lande erben sollte. Diesem Vergleich, wie den alten Hausgesetzen zuwider vermachte Herzog Georg in seinem Testamente alle seine Lande seinem Schwiegersohne, Pfalzgrafen Ruprecht, Churfürst Philipps von der Pfalz Sohn. Herzog Albrecht, der davon Kenntniß bekam, wandte sich in der Stille an seinen Schwager, Kaiser Maximilian, und erhielt von diesem die Bestätigung seines auf jenen Vergleich gegründeten Successionsrechtes.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 283-285.
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