Die Böhmerschlacht

[285] Es sank im fernen Westen die Sonne allgemach,

Da sah sie stehn zwei Lager im Feld vor Mengesbach;

Da sah sie auch zwei Gletscher ein schönes Thal umstehn,

Die rollend, donnernd morgen als Lavinen niedergehn.


Still wie Karthäuserklausen lag eins der Lager dort,

Gerüstet stehn die Schaaren, doch tönt kein hörbar Wort.

Zwei Männer wallen prüfend ernst durch die stillen Reihn,

Max scheint der Männer einer, der andr' Albrecht zu sein.
[285]

Im andern Lager drüben, da ging's gar lustig her,

Da sang es, und da klang es, als ob's just Fastnacht wär';

Der Eine schleift am Schwerte, der Andre schnarcht dazu,

Der Dritte kos't sein Schlachtroß: o wärst mein Schätzel du!


Der Pfälzer saß beim Weine, der Böhme lag beim Bier,

Da sah durch schwarze Wolken der bleiche Mond herfür;

»Wie der heut blinzelt droben, der weichliche Kumpan,

Fast wie ein zartes Mägdlein, das Blut nicht schauen kann!«


»Ja, Blut gilt's morgen, Brüder!« – »Stoßt an, auf Böhmens Heil!« –

»Drei deutsche Memmen fress' ich!« – »Vier nehm' ich auf mein Theil!« –

So schrien die wilden Zecher und stießen an mit Macht,

Es klirrten laut die Becher weit durch die ernste Nacht.


Und höher wallt' im Osten der Mond nun allgemach

Und sah die beiden Lager im Feld vor Mengesbach,

Sah fern auch ruhn zwei Brüder in süßer Schlummerlust;

Des Einen Dolch steckt morgen dem Andern in der Brust.


»Ihr böhmischen Musikanten, wohlan, spielt auf zum Tanz!«

Da drehten sich die Zecher im lustigen Wirbelkranz.

»Horch, horch! Trompet' und Trommeln!« – »Ihr Narrn, was fällt euch ein?

Wer krächzt da mit Trompeten so läppisch zum Flötenreihn?«


Und wieder, horch! Ein Mörser, laut donnernd, kracht im Feld!

Da sprang der alte Pfalzgraf empor in seinem Zelt:

»Wohl kenn' ich diese Stimme, 's ist Maxens Nachtigall;

Die singt ihr Lied im Vollmond! Das weckt mit schmetterndem Schall!«
[286]

Die Mörser donnerten lauter, und Schwerter prasseln drein:

Wir wollen euch Eins singen und musiziren fein!

Und »Max und Albrecht« ruft es, und immer tiefer bricht's

Herein ins wirre Lager, wie Schrecken des Weltgerichts.


Drin strömt es aus den Zelten und rennt nach Schwert und Schild;

Sankt Nepomuk, zu Hülfe! Sankt Wenzel, sei uns mild!

Der Eine statt des Helmes nimmt rasch vom Herd den Topf,

Der Andre zerschlägt die Geige am ersten besten Kopf.


Doch wüthend focht der Pfalzgraf, für Zwei hieb er im Kreis!

Führt wohl des Sohnes Schatten den Arm dem Heldengreis?

Jetzt sammelt rings sich wieder sein kühnes Kriegsvolk dicht,

Wo Böhmen je noch kämpften, fehlt's auch an Hieben nicht.


Wer liegt dort unterm Rosse, umras't vom Lärm der Schlacht?

Hilf Gott, das ist der König von Speeren rings umwacht!

Wer bahnt, ein Rettungsengel, zu ihm sich mit dem Schwert?

Herr Erich ist's von Braunschweig, von Kampf und Sieg verklärt!


Die Mörser schweigen mählich, Staub wirbelt durchs Gefild,

Da schlug der Fürst gerettet empor die Augen mild;

Albrecht und Erich standen jetzt frohentzückt vor ihm,

»Wir siegen!« riefen Beide mit freudigem Ungestüm.


Da drückte seinem Retter der König mild die Hand:

»Siehst du den Stern des Morgens dort fern am Himmelsrand?

Ihm gleich, als holden Boten, sah ich dich rettend kommen,

Drum mag im Wappenschilde sein leuchtend Bild dir frommen.«


Der Morgenstern stieg höher im Osten allgemach,

Die Lager sah er nimmer im Feld vor Mengesbach,

Doch wohl zwei Gletschertrümmer, die ein schönes Thal verheert,

Und auch zwei Bruderleichen, gefällt durch Bruderschwert.

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 285-287.
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Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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