1.

[37] Es lag ein lockiger Knabe

Am blüh'nden italischen Strand,

Zum blauen, ewigen Aether

Das flammende Aug' gebannt.


Die Glieder streckten sich wonnig

Im üppig schwellenden Grün.

Die hohen, schlanken Palmen

Umrauschten wie Harfen ihn.


Es schlangen sich Rebengewinde

Von Palme zu Palm' empor,

Draus blickten purpurne Trauben,

Wie küssende Lippen, hervor.


Es guckten mit gaukelnden Häuptern

Die Rosen aus duft'gem Gesträuch,

Wie blühende Mädchengesichter,

Erröthend und nickend zugleich.
[37]

Es raschelte fröhliches Leben

Durch schattige Blätternacht,

Gesänge von tausend Kehlen

Sind rings in den Zweigen erwacht!


Besä't ist mit silbernen Segeln

Des Meeres unendlicher Plan,

Drauf schimmert die Morgenröthe

Als zweiter Ozean.


Der Knabe schaut so selig

Meer, Erd' und Aethergezelt,

Und staunt in den herrlichen Himmel,

Und freut sich der herrlichen Welt!


Der Träumer, von allen Wonnen

Italischen Himmels umglüht,

Es ist das Bild meiner Liebe,

Wie sie mir einst geblüht.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 1, Berlin 1907, S. 37-38.
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Gedichte
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