2.

[121] O Tod, du warst, Ungleiches auszugleichen,

Doch allzuhart und gar zu eifrig hier!

Ach, keine Inschrift und kein Liebeszeichen,

Nur leises Ahnen nennt die Schläfer mir!


Ein Hirte wohl ruht hier im duft'gen Rasen:

Ich seh' ja frei um seinen grünen Rain

Die Alpenheerde in den Kräutern grasen;

Und wo die Heerde, muß der Hirte sein!


Ein Jäger träumt da unter kühler Decke:

Mir sagt's das Rehlein, weidend hier bei Nacht,

Als ob es sanft die todte Hand ihm lecke;

Wem wäre sonst so milde Rach' erdacht?


Ein Schnitter schlummert dort am fernen Saume:

Ich seh' es an der Blumen selt'nem Tanz,

Als wühle seine Hand darin im Traume,

Zu flechten sie zum heit'ren Erntekranz!
[121]

Doch will zum Grab des Lieben Liebe wandern,

Auf welches ströme sie den Thränenzoll?

Nun, was verschlägt's, erquickt er einen Andern,

Zu dem vielleicht noch keine Zähre quoll?!


O Trauer, suchst du nur nach Einer Welle?

Und ist das ganze dunkle Meer doch dein!

Dünkt dir ein einzig Sternlein tröstend helle?

Dein soll der ganze Strahlenhimmel sein!


O Liebe, spähst du nur nach Einem Halme?

Die ganze Erde fiel dir ja zum Loos!

Verletze nicht die Tanne ob der Palme,

Nicht ob des Blumenstrauchs das arme Moos!

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 1, Berlin 1907, S. 121-122.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Sämtliche Werke 2: Gedichte. Hg. von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]
Sämtliche Werke 4: Jugendgedichte. Gedichte früherer und späterer Zeit. Ungedruckte Gedichte. Hg. von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]