[229] Das ist der vielgereiste Tourist
Herr Storch, der heimgekehrte,
Mit langen stolzen Schritten mißt
Des Daches First der Werthe.
Er trägt, wie's Wandrerart gebot,
Ein weißes Blousenhemde
Nebst hohen Stiefeln von Juchten roth,
Und preist die schöne Fremde:
»Da wären wir wieder, da wohnen wir
Grad' über dem Stall der Rinder.
Prophet in der Heimat, bin ich hier
Das Spiel der Bauernkinder.
In Rom wohnt' ich auf dem Vatikan,
Sah wandeln den Papst im Garten,
Da wuchsen, seht eure Kürbiss' an,
So groß der Orangen Arten.
Vom Rhein war böse Post gerad',
Der Papst in Sinnen verloren;
Ich gab ihm einen guten Rath,
Er mir den Orden vom Sporen.
[230]
Auch hatt' er drob mir keinen Verdruß,
Als ich ihm in einem Sitze
Vor Durst aussoff den Tiberfluß,
So groß ist dort die Hitze.
Am Aetna schnell vorüber ging's,
Zwei sah ich um Schwefel streiten;
Ich schaute rechts, ich schaute links,
Es stank auf beiden Seiten.
Als über das blaue Meer ich zog,
Da flaggten mir alle Schiffe,
Ihr Donner zum Ehrengruß mir flog
Weithin an Gestad' und Riffe.
In Syrien fand ich ein irres Heer,
Verhungernd, versprengt in der Wüste;
Ich flog vor ihm durch des Sandes Meer
Als Führer zu Mizraims Küste.
Da lag der Feldherr todeskrank,
Zu Ende mocht' es eilen;
Des Vetters Ibis Kunst sei Dank,
Die mich gelehrt, ihn zu heilen.
Mit weißem Bart der alte Pascha
Zum Großfeldscher mich ernannte,
Gab mir zu Lehn das Nilland da
Und was drin kroch, schwamm, rannte.
[231]
Auf Pyramiden, bei fürstlicher Kost,
Durft' ich in Herrlichkeit thronen;
Mir huldigten Völker aus Süd und Ost,
Wie Göttern der Pharaonen.«
Den Reisebericht indessen erklärt
Frau Storchin den Nachbarinnen:
»Am Nil hat er ein Würmlein verzehrt,
Den Tiber – sah er rinnen.«
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro