Das Weiheschwert

[213] Als durch den Rhein gewallt, geritten

Die Jugend Deutschlands weihetrunken,

War, von Franzosenblei durchschnitten,

Ein Mann in Reben hingesunken.


Nun ihn umweht des Todes Odem,

Reißt aus der Scheid' er seinen Degen,

Die Spitze bohrend in den Boden,

Zu sprechen drauf Gebet und Segen.


So muß das Schwert als Kreuzbild ragen,

Drob Reben wölben die Kapelle;

Durch die durchbrochne Kuppel schlagen

Vom Himmel Sonnenlichter helle.


Ein schönes Opfer ist gefallen,

Ein Held, umrauscht von Kampfesliedern!

Als süße Opferdüfte wallen

Die Sterbeseufzer eines Biedern:


»Wie bist du schön, mein Volk, entlodert

In Hassesgluth, in Kampfesmuthe!

Was Greisenschwäch' entäußert, fodert

Die Jugend rück mit ihrem Blute.
[214]

Nicht weil's ein Volk von andrem Namen,

Von andrer Sitt' und andrer Sprache,

Nein, weil sie uns als Dränger kamen,

Drum sucht sie heim jetzt unsre Rache.


Mein Volk, das an des Louvres Raine

Zerschlägt die Ketten, die es engen,

Es trifft, thut's Noth, auch näh're Steine,

Die hart genug zum Kettensprengen.


O daß die Schlack' aus edlen Erzen

In diesem großen Brand sich trenne!

Einst diese Rachegluth in Herzen

Rein als Begeist'rung fort noch brenne!


Daß aus des Hasses Dorn, der modert

Die Lieb' einst ihre Rosen triebe!

Denn wo so viel des Hasses lodert,

Muß tiefer glühn noch viel der Liebe!


O daß sich – wie im West erstanden

Ein Held in Ruhm und Haß – erhübe

Gewaltig einst in deutschen Landen

Ein Held der Ehre und der Liebe!


In dessen Herzen Taubenpaare

Der milden Volkesliebe wohnten,

In dessen Haupt die Sonnenaare

Urfürstlicher Gedanken thronten!


Mit meinem Blute, meinem Segen

Möcht' ich für ihn dieß Kampfschwert feien;

Wie Roland's oder Artus' Degen

Soll es ein fester Zauber weihen.
[215]

Erhebt er's, soll die Fessel springen

Wie Glas, in Scherben sein zersplissen,

So jene edlen Schmiede bringen,

Die selbst nicht sie zu brechen wissen.


Verstummen soll'n im Prunkgemache

Die Worte, die zu kriegen wagen:

Der schöne Rheinstrom deutscher Sprache

Darf keine Sklavenschiffe tragen!


Zieht er das Schwert im Sonnenglanze

Dann wirble, dran zurücke prellend,

Der Glast in dichtem Funkentanze,

Der Fürstenräthe Häupter hellend!


Daß Flammenzungen sprühn in Bächen,

Daß es ein andres Pfingstfest scheine,

Und die jetzt tausend Zungen sprechen,

Fortan nur sprechen mögen Eine!


Und schwingt er's wo in deutschen Landen

Von einem Berg nach den vier Winden,

Sei neu die todte Saat erstanden,

Soll neue Gluth die Rebe zünden!


Und um den Berg rings soll sich schaaren

Das ganze Volk zum heil'gen Bunde!

Dann wird der Herr sich offenbaren

Aus seines Abgesandten Munde.«


Dieß Schwert mocht er als Kreuz umfassen,

Als sich vom Leib die Seele trennte,

Sein Nachlaß ward es uns gelassen

Und seinem Grab zum Monumente.
[216]

Vermag des Helden Blut zu feien,

In Füll' ist dann gefeit der Degen;

Und konnten Sterbehauche weihen,

Dann birgt er kräft'gen Wundersegen.


Längst ist das Schwert versenkt, verloren,

Umrankt ist von der Reben Wucht es!

Doch wird dem Schwert sein Held geboren,

Dann holt es ihm, geht hin und sucht es!

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 1, Berlin 1907, S. 213-217.
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Gedichte
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