2.

[43] Am Hochaltar, umflammt vom Kerzenglanze,

Strahlt in des Priesters Hand die Goldmonstranze,

Um die als Kranz, aus laut'rem Gold gegossen,

Ein Rebenreis und eine Aehre sprossen.


Traun, solche Huldigung wie beiden diesen

Ward keiner Reb' und Aehre je erwiesen!

Seht, jetzt erhebt der Priester die Monstranze

Mit ihrem goldnen Reb'- und Aehrenkranze:


Und alles Volk sinkt auf die Knie' im Kreise

Und schlägt ans Herz und flüstert betend leise,

Des Weihrauchs duft'ge Wolken aufwärts ringen,

Die Glocken donnern, und die Glöcklein klingen!


Da denkt die Aehre still: Ich wollt', ich stünde

Im Felde bei den Schwestern, frei im Winde,

Wie sie zu wallen leis im goldnen Reigen

Und selbst das Haupt, von Segen schwer, zu neigen!


Da denkt die Rebe still: O könnt' ich sprossen

Auf steilem Hügelrain bei den Genossen,

Wie sie, vom Fruchtkorb schwer, den Rücken neigend

Und selbst das Knie in stiller Andacht beugend!

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 43-44.
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