[5] Die Trümmer der Stadt Mailand.
Galdino und Alberto treten auf.
GALDINO.
O Mailand! Vaterstadt! Wo bist du? Wo
Sind deine Türme? Wo der Ahnen Gräber?
– Das ist kein Wiedersehn! Ach, nicht die Spur
Von Ihr, die mit den Plätzen, mit den Straßen,
Wo sich die Prachtpaläste endlos drängten,
Wo das Gewog der Bürger flutete
Wie Meeresströme, glorreich hier geprangt!
– Des Kaisers Pflugschar ging darüber weg! –
– – Alberto, du kannst schweigen?
ALBERTO.
Sieh, es redet
Die Träne hier im Auge, sieh,
Es sprechen meine Hände – In den Boden
Der Heimat schlag ich sie, und möchten sie
Da ewig wurzeln!
GALDINO.
Richt dich auf!
Sie liegt doch hinter uns, die heimatlose,
Schreckliche Zeit! Wir ziehn doch wieder ein!
Was er, der zornge Schwabe, wie den Staub
In alle Winde zu zerstreuen wähnte,
Gesammelt hat es sich von neuem, und
Die Bürger Mailands, Mann an Mann in Waffen,
In Bräute-Schmuck die Jungfraun, von den Scharen
Der ganzen Lombardei begleitet, kehren
Zum alten Herd zurück!
ALBERTO.
Was zaudern sie?
Tot an dem Wege liegen unsre Rosse –
So stachelte uns Sehnsucht nach der Heimat –
Sie scheinen trägerer Natur![5]
GALDINO.
Horch! Horch!
Sie nahn! Schon tönt von hunderttausend Lippen
Der Lobgesang, den Mailands Heiliger
Gedichtet, – nie so herrlich noch erklungen,
Als heut, wo seine Stadt sich neu
Bevölkert!
Hinter der Szene hört man ein donnerndes te deum laudamus des heiligen Ambrosius; zahllose Mailänder in Waffen, und Frauen, Jungfrauen, Kinder unter ihnen, treten auf.
GALDINO.
Ha! da sind sie!
ALBERTO.
Der Gesang
Verstummt! Ich weiß warum! Schlecht singt der Jammer!
GALDINO.
Sie sehen die Verwüstung!
ALBERTO.
Und sie alle,
Der Greis, der Mann, das Weib, das Mädchen, stürzen,
Wie von dem Blitze hingeschmettert, an
Die Erde – küssen Steine, – säen heiße Tränen,
Wo Barbarossa Salz gesät! – Es kommt
Wie eine Windsbraut über mich – ich breche
Zusammen, stürz mit ihnen nochmals nieder –
Wir finden endlich
Die Heimat wieder, – doch nur wie die Mutter
Nach langem Suchen das verlorne Kind –
Sie findet es, allein es ist in Stücken!
VIELE TAUSEND STIMMEN DER MAILÄNDER.
O Tag des Jammers! Tag der Freude! Tag
Des Zornes!
GALDINO.
Welche furchtbare Bewegung!
Der Schmerz, der Zorn, die Lust – Sie fliegen gleich
Drei Riesenadlern zuckend durch die Menge!
ALBERTO.
Das die drei Adler, Freund, mit denen wir
Den kaiserlichen überflügeln und
Zerreißen, stieg' er auch so hoch, als nur
Ein Hohenstauf im Stolz zu denken wagt!
Ein Vater mit seinem Sohne tritt vor.
DER VATER.
Mein Sohn, sieh diese Stätte – diese Trümmer –
Vor sieben Jahren, als du wardst geboren,
Stand hier ein Haus mit Marmorstufen, mit
Erhabnen Säulen, und es wohnten drinnen
Wohlfahrt und Häuslichkeit und Frieden. Zwei[6]
Liebliche Töchter blühten wunderschön,
Und sorgsam waltete die Mutter – Es
War deines Vaters Haus. Da aber, an
Dem Tag, wo des Carroccio Baum, jetzt
Dort wieder aufgerichtet, zu dem Fuß
Des Hohenstaufen schmachvoll hinsank, sprengten
Heran des Barbarossa Eisenreiter,
Die Pferde rissen sie die Stieg hinauf,
Sie in die Säle stallend, mit der Faust
Ergriffen sie die Mutter und den Vater,
Die Töchter und den Sohn, und warfen sie
Auf freie Straße – Fenster, Pfosten, Säulen,
Flogen laut krachend hinterdrein – Es brach
Vor Gram der Mutter Herz – die Töchter welkten
Dahin, – nur du bliebst übrig, weil du nicht
Begriffest, was geschah, und ich starb nicht,
Weil mir das Herz zu fest, so leicht zu brechen, –
So sind wir denn noch lebend, um zu rächen!
Schwör ewge Rach dem Barbarossa! –
Du weinst? Ich weiß genug! Wer weint,
Der flucht, und sucht die Träne zu
Vergelten!
DER SOHN.
Meine Mutter! meine armen Schwestern!
DER VATER laut.
Dem Barbarossa Kampf bis in den Tod!
ALLE MAILÄNDER vom Boden aufspringend und die Speere schüttelnd.
Bis zu dem Tode Kampf dem Barbarossa!
Der Kardinal Ugolini und Gherardo treten vor.
KARDINAL.
Vernimmst du dies? Der Ozean braust um
Uns her! Jetzt, Konsul, gilt es, auf das Haupt
Des kaiserlichen Frevlers ihn zu lenken,
Und unter geht er in den Wogen,
Ein zweiter Pharao!
GHERARDO.
Herr Kardinal,
Eh wir die Menge lenken, tuts sehr not,
Daß wir sie ordnen! Wilde Wut verwandelt
Sich leicht in dumme Feigheit!
KARDINAL.
Ordnet denn!
Was ihr beginnt, die Kirche segnets! Doch
Seid schnell! Die Langmut Gottes ließ schon viel[7]
Zu lang den Drachen aus dem schwäbischen
Gebirge auf dem Kaiserthron sich sonnen!
GHERARDO.
Des Papstes Langmut hätt es wohl so lang
Nicht ausgehalten?
KARDINAL.
Aber wunderbar zuckt nun
Der Kirche Schwert in eurer Hand. Es wollte
Der Schwabe euch zertreten, und ihr stecht
Ihm in den Fuß – ihr kämpft für euer Leben,
Und kämpft grad dadurch für die Kirche mit!
Laut.
– Hört es, Mailänder und Lombarden! Hier
Dem Konsul Mailands reich ich meine Hand
Zum ewgen Bündnis mit dem Vatikan –
Drum kühn! Wohin ihr zieht, und gegen Wen
Ihr kämpft – des Bannstrahls Blitz und Donner flammen
Und rollen schützend über euch!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Heil uns!
Gott selbst wird mit uns streiten!
GHERARDO.
Jetzt zur Tat!
Nicht eine Stunde Ruh, und niemand,
Nicht Greis, nicht Jungfrau, wird verschont,
Bis daß die Mauern wieder aufgetürmt,
Die Gräben wieder sind gezogen!
ALBERTO.
Konsul,
Was sollen Mauern? Hier in unsrer Brust
Steht Mailands Wall, in unsern Adern rollt
Sein Graben! Eh wir andre Gräben ziehn,
Laß uns den Hohenstaufen erst
In seinem Horste suchen, rächend ihn
Vertilgen!
DIE MAILÄNDER.
Rächend ihn vertilgen!
GHERARDO.
Das
Sind Worte, Freunde! – Nicht mit Worten,
Kaum mit dem Schwert – mit großer Kriegskunst nur,
Mit Mut, Ausdauer und mit Gottvertrauen
Ist Barbarossa zu bekriegen. Such
Ihn nicht in seinem Horst – Ich schwörs: schon sucht'
Er uns!
ALBERTO.
Herr, hats dir je seit sieben Jahren
Im Aug gebrannt um Mailands Fall?
GHERARDO.
Mein Sohn,[8]
Wohl möglich, daß seit sieben Jahren, seit
Der Stunde, wo der Barbarossa Salz
Auf die Ruinen streute, keine Nacht
Gedunkelt, wo ich nicht in Tränen liegend zu
Dem Himmel aufschrie, und kein Tag geleuchtet,
An dem ich nicht gekämpft, das Weinen zu
Ersticken. Glaube mir, die Zähre, die
In Finsternis und Einsamkeit geweint
Wird, fällt am schwersten. Und vielleicht, daß ich
In glühnden Tränen dachte, was ich kalt
Anjetzt vollende!
Ein Bote, bleich, staubbedeckt und atemlos, stürzt in die Szene.
DER BOTE.
Weh der Lombardei!
Schon tobt es wild auf den roncalischen
Gefilden –
GHERARDO.
Ha! Ist Er schon da! Wer sagte,
Daß er uns suchen würde?
DER BOTE.
Sie errichten
Dort schon die kaiserliche Pfalz, und hoch
Am Eichenstamm erheben sie den Schild
Des Reichs, ein Meteor des Grausens!
Herolde schlagen mit den Stäben auf
Sein Erz, und rufen laut nach jedem End
Der Welt, Italien vor das Gericht des Kaisers!
GHERARDO.
Und dieser?
DER BOTE.
Wie sie sagen, hielt er in
Thüringens goldner Au ein Festgelag –
Da kam die Nachricht, daß im Schütze der
Lombarden, Mailands Bürger sich gesammelt –
Den selbgen Augenblick sprang er vom Mahl
Empor und stieß den Römer Rheinweins um,
Der vor ihm funkelte, und foderte
Des Reiches Heerbann auf zur schnellsten Folge.
Zusammen rafft' er dann, was an Vasallen
Und Mannschaft gegenwärtig war, und eilte
Im Sturmesflug damit voraus – Como,
Peschiera sind gefallen und geschleift,
Jetzt eben trifft er bei Roncaglia ein;
Und Braunschweigs mächtger Löwe wandelt ihm
Zur Linken!
KARDINAL.
Sollte der den Löwengeist[9]
Wohl stets verleugnen, und sich immer von
Dem Hohenstaufen zügeln lassen?
GHERARDO.
Schwerlich!
Ihr, die ihr in den Herzen herrschtet, binden
Und lösen könnet – löset auch einmal
Die Löwentreue!
KARDINAL.
Spare deinen Rat!
Erwarte demutsvoll und still, was Gott
Beschließt für seine Kirche!
GHERARDO zu dem Boten.
Und wie stark
Ist Friedrichs deutsche Heeresmacht?
DER BOTE.
Noch ist sie schwach, allein sie schwillt von Stund
Zu Stunde, – von der Alpen Stufen steigen
Bereits der Krone große Lehensmannen,
Und alle Straßen des Gebirges sind
Erfüllt von Reisigen und Waffen, – Pferde
Vom Elbstrom trinken schon den Po!
GHERARDO.
Mailänder,
Was tut ihr?
DIE MAILÄNDER.
Aus der Scheide reißen wir
Das Schwert und zu dem Himmel schwingen wir
Die Lanzen: siegen oder fechtend fallen!
GHERARDO.
Ha, freudig hör ich, ihr seid rechten Sinnes!
– Erschienen ist der Prüfung Stunde – Ihr'
Besteht sie besser als ich hoffte – diese Trümmer
Verwandeln euch in Felsen! Seid sehr hart,
Sonst werdet ihr wie sie zerschlagen – Noch ists Zeit,
Doch not tut Eile! – Barbarossas Heer
Ist schwächer noch als wir – drei Tage nur;
Und es ist stärker! Drum Gesandte
An alle Städte Norditaliens
Geschickt, zur Hülf und Tat sie aufzurufen –
Wir selbst ziehn schleunig nach Legnano,
Verschanzen uns dem Kaiser gegenüber,
Und bieten ihm zum letzten Mal den Frieden!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wem Frieden? Ihm? Biet ihm den Tod, die Brust,
Die Stirne, doch nicht Frieden dem Tyrannen!
GHERARDO.
Er ist der Herr und Kaiser! Grausam, furchtbar[10]
Behandelte er uns – Jedoch laßt auch
Uns eingestehn, wir trotzten mehr ihm, als
Sich ziemte. Ein geringer Laut erweckt
Auf hohen Alpen die Lauwinen, – so
Auch mochte unser Schrei um Recht, zu frech
An Throneshöh des Hohenstaufen klingen,
Und auf uns fiel sein Zorn! – Was ihm gebührt,
Laßt uns dem Kaiser geben, heiß es Zoll,
Gefälle, Huldgung der Vasallen – Aber
Mit Vögten nicht soll er die Freiheit binden
Und nach Belieben in den Städten rasen!
KARDINAL.
Ein äußerst wohlbedachter Friedensvorschlag!
Auch Christi Kirche schätzt den Frieden sehr.
Drum werd ich eure Abgeordneten
Begleiten, und den Kaiser auch mit Uns
Versöhnen.
GHERARDO für sich.
Rom! wie taubensanft und schlangenklug!
Mit ihm aus Not verbündet, dürfen wirs
Nicht lassen – Und den Frieden, den es bietet,
Nimmt Barbarossa nimmer. Lieber wagt
Er erst den Krieg! und wenn er Roms Antrag
Verwirft, so ist mit ihm der unsrige
Verworfen!
Laut.
– Kardinal, ich wünsch Euch Glück,
Und mög es besser Euch gelingen, als
Ihr denkt und – hofft!
– Mailänder! Krieg!
Ihr wisset wider wen es gilt – Er thront
Als Schrecklichster der Herrscher – Wißt
Ihr aber auch, für was ihr kämpft? Wes Schoß
Euch liebend aufnimmt, wenn ihr stürzt? Es ist
Die Vatererde! Für
Die Vaterstadt, fürs Vaterland, für ganz
Italien streitet ihr! Sei Friedrich noch
So mächtig, unsre Bundsgenossen sind
Weit mächtiger – Es sind die Männerbrüste,
Die wie ein ewiges Erdbeben, heiß
Für Freiheit und für Ehre pochen – Dort[11]
Die Berge, dieser Strom, ja jeder Baum
Der in der Heimat prangt – Hemmnisse sinds
Dem Feinde, doch uns treue Kriegskamraden!
– Und Heil ihm, der fürs Vaterland dahinsinkt –
Nicht größer, edler kann er untergehn!
Er fällt für Haus und Stadt, für Kind und Eltern,
Er fällt für seine spätsten Enkel, blutet
Für künftige Jahrhunderte, und stets
Wird seines Grabes Rasen grünen, denn
Der Bürger Tränen werden segnend ihn
Betauen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Werden segnend ihn betauen!
GHERARDO das Schwert ziehend.
In Glied und Reih! Zieht das Carroccio
In unsre Mitte!
Das Carroccio wird vorn in die Szene gefahren.
Seht den Fahnenwagen!
Der Schutzpatron steht drauf und winkt zum Siege!
Dem Winke nach! Es wird der Feind geschlagen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wir brechen jubelnd auf zum Freiheitskriege!
Kriegerischer Marsch, alle brechen auf und ziehen ab.
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